125. Geburtstag von Kurt Tucholsky
9. Januar 2015Als "scharfer Hund" macht sich der Schriftsteller und Publizist Kurt Tucholsky schnell einen Namen in der Weimarer Republik. Der Pazifist und linke Demokrat, wie er sich selbst bezeichnet, schreibt Artikel, Essays, Berichte - zwischendurch auch Romane und gepflegte Lyrik und am liebsten geschliffen formulierte, politische Satiren. Die "Weltbühne" ist sein Lieblingsorgan. "Er gehörte zu einem der bestbezahlten Journalisten der Weimarer Zeit", sagt Rolf Hosfeld, der eine bemerkenswerte Biografie über den streitbaren Intellektuellen verfasst hat. "Er hat enorm viel geschrieben. Und er war jemand, der in vielen Medien präsent war. Er war zu seiner Zeit ein Star, wenn man so will."
Ein Leben als Außenseiter
Kurt Tucholskys Lebensweg als kritischer Zeitgenosse weist erschreckende Parallelen zu den aktuellen Ereignissen in Paris auf. Beschimpfungen und massive Anfeindungen gehörten auch zu seinem Journalistenleben: "Er wurde bedroht, vor allem wegen seines Aufsatzes "Der umstellte Kriegsschauplatz", in dem der bekannte Satz vorkommt: "Soldaten sind Mörder", berichtet Hosfeld. "Er war damals in Schweden und hat es vorgezogen, nicht nach Deutschland zurückzukehren, weil er befürchtete, dass man ihn auf der Straße erschießen würde oder sonstwas mit ihm passieren könnte." Seine Vorbilder hatte Kurt Tucholsky vor allem in Frankreich, erzählt sein Biograph. "Es waren die Anti-Kriegssatiren, es war in gewisser Weise auch das freche Chanson der Franzosen. Diese französische Tradition des Humors, der Ironie, der Satire war für ihn sehr stilbildend."
Geboren wird Kurt Tucholsky am 9. Januar 1890 in einem jüdischen Elternhaus in Berlin-Moabit. Sein Vater ist Bankdirektor und legt Wert auf kultivierte Bildung. Die ersten Schreibversuche des jungen Tucholsky erscheinen 1907 im "Ulk", der satirischen Beilage des "Berliner Tageblatts". Der talentierte Schreiber versucht sich mit einem Jurastudium und beginnt zeitgleich, erste journalistische Artikel für den sozialdemokratischen "Vorwärts" zu verfassen.
Steile Karriere in der Weimarer Republik
"Er hatte ein ausgesprochen konstruktives Verhältnis zur Weimarer Demokratie, selbst wenn man das seinen Artikeln nicht immer anmerkt. Sie sind scharf, aber er war in der Sache immer sehr klar", sagt Biograph Hosfeld. Tucholsky hätte sich zu seiner Zeit allerdings gewünscht, dass sich Deutschland stärker in die Richtung entwickelt wie England und Frankreich, deren demokratische Kultur er sehr bewunderte. In Berlin besucht er ein französisches Gymnasium und lernt die Sprache fließend. Die dazu passende Lebensart, das "Savoir vivre", lernt er bei seiner Tante kennen, die Französischlehrerin ist und in Paris lebt.
Mit seinem ersten Roman "Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte", wird Kurt Tucholsky 1912 als Schriftsteller bekannt. Das Buch wird Anfang der 1930 Jahre zum meistverkauften Bestseller. "Er war auch ein großartiger Reiseschriftsteller. Man weiß nicht, was aus ihm geworden wäre, wenn es den 1. Weltkrieg nicht gegeben hätte", so Hosfeld. Seine Erlebnisse als Soldat an der Ostfront erschüttern Tucholsky nachhaltig. "Traumatisch war für ihn der Zusammenbruch der Zivilisation. Und vor allem die Unfähigkeit, vor allem in Deutschland, diesen Krieg zu verarbeiten. Also sich dem Dialog zuzuwenden anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen, was er immer den Militarismus in den Köpfen der Menschen genannt hat."
Jüdische Kulturwurzeln
Nach einer Zwischenepisode bei der Politischen Polizei in Bukarest kehrt Tucholsky - im Kopf kriegsversehrt und gesundheitlich angeschlagen - 1918 nach Berlin zurück. Aus der Jüdischen Gemeinde ist er schon vor dem 1. Weltkrieg ausgetreten, in Berlin lässt er sich evangelisch taufen. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei, Vorläufer der heutigen SPD, wird seine politische Heimat. Er schreibt Chansons, freche Lyrik, Musikrevuen und viel Kulturkritisches für die "Weltbühne" und die Berliner Zeitungen. Die politischen Strömungen der Zeit behält er genau im Blick. "Er war jemand, der ein sehr scharfes Auge auf den sich schnell entwickelnden Antisemitismus hatte. Und der sich davon auch betroffen fühlte", fügt Hosfeld hinzu.
Spott und Ironie als publizistische Waffe
1924 geht Tucholsky für zwei Jahre als Kulturkorrespondent nach Paris, anfangs mit großer Euphorie. Aber die Ernüchterung durch die politische Großwetterlage in Europa trifft ihn hart. "Er hat schnell gemerkt, dass auch Frankreich kein Land ohne Widersprüche ist. Auch in Frankreich gab es Dinge, über die man sich ähnlich aufregen konnte wie in Deutschland. Aber es gab eben auch in Frankreich faschistische Bewegungen, und es gab Antisemitismus."
In Berlin übernimmt der inzwischen berühmte Publizist die Herausgeberschaft der "Weltbühne". Mit seinen pointierten Artikeln und oft polemischen Kommentaren macht er sich im rechten Lager der aufkommenden Nationalsozialisten schnell Feinde."Satire war wichtig für ihn. Satire war deshalb wichtig, weil sie den unanfechtbaren Wahrheitsanspruch, der hinter politischen oder religiösen Ideologien steckt, entlarvte", erklärt sein Biograph diese Zeit.
Inzwischen verfasst Tucholsky nicht mehr alles unter seinem richtigen Namen. "Ich mag uns gern", schreibt er als Theobald Tiger alias Peter Panter, "Pseudonyme sind wie kleine Menschen." Den Namen Ignaz Wrobel behält er sich für scharfe politische Standpunkte vor. "Wir sind Landesverräter. Aber wir verraten einen Staat, den wir verneinen, zugunsten eines Landes, das wir lieben - für den Frieden und ein wirkliches Vaterland: Europa", schreibt er im März 1928.
Heimatlos und innerlich zerrissen
1929 geht er wieder nach Paris, 1930 ins Exil nach Schweden. Seine Schriften landen bei der großen Bücherverbrennung im Mai 1933 in den Flammen der nationalsozialistischen Säuberungsaktionen. Tucholsky findet sich als Staatsfeind an oberster Stelle auf den Ausbürgerungslisten der Nazis. Heimatlos und innerlich zerrissen erlebt der brilliante politische Analytiker und Autor mit, wie die Nazis ihre Macht ausbauen und das Kulturleben im Deutschen Reich gleichschalten.
Am 21. Dezember 1935 stirbt Kurt Tucholsky an einer Überdosis Tabletten. Selbstmord oder Versehen? Das ist bis heute nicht geklärt. "Als Publizist hatte er völlig resigniert," sagt Biograf Rolf Hofeld. "Er wusste: Journalisten sind keine Menschen, die politische Verhältnisse gestalten, sondern sie können nur in einer bestimmte Weise die öffentliche Meinung beeinflussen. Mit Blick auf die Entwicklung in Deutschland, mit der er konfrontiert war, hat er alles dafür getan, die Katastrophe mit seiner Schreibmaschine aufzuhalten. Aber er hat sie nicht aufhalten können."