1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Grünstrom mit Makel

Oliver Ristau
22. Mai 2018

In Honduras widersetzen sich Menschen den Solar-Projekten internationaler Investoren. Sie fürchten Umweltschäden und steigende Temperaturen. Was sie aber am meisten stört: nicht an den Erträgen beteiligt zu sein.

https://p.dw.com/p/2y4GT
Honduras  PV Park Choluteca I in Los Prados
Bild: DW/O. Ristau

Sie haben sich hinter der Fahne ihres Landes versammelt. Das Banner Honduras' baumelt an einem Seil, mit dem sie die Zufahrt versperren. Die 40 Frauen, Männer und Kinder aus dem Dorf Los Prados im Süden des Landes demonstrieren gegen einen geplanten Solarstrompark. Die meisten sind einfache Landwirte. "Ich besitze nicht viel - Mais, Bohnen, ein paar Kühe", sagt Gemeindevertreter Leonardo Amador. "Wir wollen aber ein würdiges Leben führen."

Das schließe aus, dass ihnen der Park einfach vor die Nase gesetzt würde. Der 58-Jährige zeigt auf das Areal jenseits eines Zauns, der das Gemeindegebiet von Grasland trennt. Bis zu den Bergen am Horizont breitet es sich aus. Vereinzelt recken sich Bäume in die Höhe. Das sei zwar nicht ihr Land, aber das Sammeln von Früchten und das Durchqueren sei nie ein Problem gewesen.

Honduras Choluteca Solarpark Gemeindevertreter
Gemeindevertreter Leonardo Amador vor dem Gelände, auf dem der Solar-Park entstehen sollBild: DW/O. Ristau

Das wird künftig anders sein. Auf einer Fläche von rund 20 Hektar soll in den kommenden Monaten ein Teil eines insgesamt 53 Megawatt starken Photovoltaik (PV)-Parks entstehen. Das Land sei in der Vergangenheit für die Viehzucht verwendet worden, was "ökonomisch ineffizient war und schlecht für die Umwelt", sagt der neue Pächter der Flächen, die norwegische PV-Firma Scatec Solar, der zusammen mit dem norwegischen Fonds Norfond rund 85 Millionen Euro investiert.

Bäume müssen weichen

Dafür müssen die Bäume abgeholzt werden. Scatec will zwar an anderer Stelle neu aufforsten. Das bringt den Menschen von Los Prados ihren Naturraum aber nicht zurück. Der ist in der Nachbargemeinde Costa Azul bereits verschwunden. Am Rande des Dorfes stehen ein Dutzend Frauen mit ihren Kindern und schauen verloren in die Ferne. Hinter einem Stacheldrahtzaun ist das Areal planiert. Drei Wächter, einer in Militäruniform, sichern das Gelände. Noch hat der Bau der Anlage nicht begonnen. Nur ein einzelner orangenfarbener Schiffscontainer, der wie ein Fremdkörper in der Landschaft wirkt, gibt einen Hinweis darauf, dass hier bald ein Industrieprojekt entsteht.

Honduras Choluteca  Baustelle für PV-Park Los Paros
Frauen aus Costa Azul am Ende ihres DorfesBild: DW/O. Ristau

"Wir sind ja nicht gegen den Grünstrom. Aber wir fürchten die Nachteile", sagt eine der Frauen. Da sind zum einen die Wasserressourcen, die die Firma zur Reinigung der Moduloberflächen braucht. Niemand von ihnen weiß, wie viel und ob dadurch der Grundwasserspiegel fallen und das Wasser wegen des nahen Pazifiks versalzen kann. Scatec versichert auf Anfrage: "Wir werden kein Wasser der Gemeinden nehmen. Das Wasser wird von einem Lieferanten gebracht." Und dann ist da noch die Hitze. In der Provinz Choluteca liegen die Durchschnittstemperaturen im Jahr bei knapp unter 30 Grad Celsius. Durch den Betrieb des Solarparks könnten diese steigen, befürchten die Anwohner – nicht ohne Grund.

Heiße Luft

Denn tatsächlich wird die Luft im Bereich des Solarparks stärker erwärmt als außerhalb, bestätigt das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) aus Freiburg. Grund ist, dass die Solarmodule über weniger Masse zur Speicherung der Wärme verfügen als Bäume und sonstige Vegetation. Was in Mitteleuropa kaum auffällt, kann in heißen Klimaten Auswirkungen haben. "Mikroklimatisch können diese Unterschiede spürbar sein", sagt Wissenschaftler Christian Reise. "Im Solarpark ist tagsüber die Luft wärmer, nachts dagegen kälter als außerhalb." Das könne sich auf die Vegetation auswirken, und damit auch auf die landwirtschaftliche Produktivität.

Was die Demonstranten aber am meisten aufbringt, ist die fehlende Beteiligung an den Erträgen des Parks. Immerhin rechnen die Norweger mit Einkünften aus dem Stromverkauf an den Staat von mehr als zehn Millionen Euro pro Jahr. Ja, ihnen seien Bohnen und Reis, Zement und Wellblech angeboten worden, sagen die Frauen von Costa Azul. Aber das kommt ihnen wie Almosen vor und reiche deshalb nicht. Scatec Solar verweist darauf, dass die Firma eine Reihe von Sozialprojekten in den betroffenen Gemeinden fördere. So seien ein Elektrifizierungsprojekt und ein Wasserprojekt umgesetzt worden, von dem je 80 Haushalte profitierten, 165 Häuser seien außerdem mit "Materialien zur Verbesserung von Dächern, Wänden und Fluren" ausgestattet und ein Zaun um eine lokale Schule und einen Fußballplatz gebaut worden.

Streit in den Gemeinden

Gemessen an den 4.000 Einwohnern, die in den betroffenen Gebieten leben, ist das nicht viel. "Das ist das, was uns stört", sagt Gemeindevorsteher Amador. "Nicht alle bekommen das Gleiche, sondern nur die, die sich bereit erklären, auf Proteste zu verzichten". Das führe in den Gemeinden  zum Streit zwischen Gegnern und Befürwortern, berichtet er - "teilweise bis aufs Blut".

Honduras Choluteca Solarpark Proteste
Mini-Demonstration von Gegnern des SolarparksBild: DW/O. Ristau

Scatec ist dagegen überzeugt, dass die meisten Einwohner für das Vorhaben sind. Es handele sich lediglich um eine "kleine Gruppe von Leuten, die falsch informiert ist und gewalttätig protestiert".  Auch hier gibt es Widerspruch. "Wir haben die Einfahrt zur Baustelle besetzt, dabei aber nie Privateigentum betreten, noch Gewalt angewendet", sagt die 19jährige Yenni Aguila aus Costa Azul. Dennoch müssten sich viele ihrer Leute vor Gericht verantworten. Scatec hat allerdings zugesagt, diesen Menschen zu helfen. Die Firma verweist außerdem darauf, dass sie mit dem Solarstrom dazu beitrage, eine CO2 freie Stromproduktion aufzubauen. Nach Auskunft des staatlichen Energieunternehmen ENEE produzieren 16 Solarparks in Honduras Strom und sorgen für einen Anteil am Strom-Mix des Landes von zehn Prozent.