Schein und Sein
Sieht man genauer hin, dann ist die sogenannte "Wirklichkeit" gar nicht so selbstverständlich, wie es auf den ersten Blick erscheint. Ganz im Gegenteil - sie fängt ziemlich schnell an zu zerbröseln: Genaugenommen ist es höchst subjektiv, was wir als "Wirklichkeit" wahrnehmen. Und da wäre es doch nur folgerichtig, die Dinge auch selbst zu benennen - ganz wie Humpty Dumpty es für sich in Anspruch nimmt.
Aber ganz so einfach ist es dann doch wieder nicht. Wo kämen wir hin, wenn jeder nur noch in seiner eigenen Welt zu Hause wäre?! Jedes normale Gespräch würde zur unüberwindlichen Hürde: Meint mein Gesprächspartner tatsächlich den BAUM vor seinem Fenster oder erzählt er mir Geschichten vom PFERD? Oder ist das elende Häufchen HUNDESCH ... vor der Haustür das Thema?!
Der Streit der Geister
Die Wirklichkeit ist abhängig von der Perspektive des Betrachters, von seiner Sinnesorientierung, ja vielleicht sogar von seinem Interesse. So viel zur Perspektive der Sprachwissenschaftler und Philosophen. Und als sei das noch nicht genug, haben die Quantenphysiker noch einen drauf gesetzt. Sie, die sich mit winzig kleinen Teilchen beschäftigen, haben festgestellt: Es gibt keinen stabilen Zustand der Wirklichkeit. Ein Atom ist gar kein Atom. Mit anderen Worten: Die Welt spielt verrückt.
Alles Quarks - oder was?!
Die kleinsten Teilchen unserer Welt, die Quarks, sind echte Verwandlungskünstler: Sie erscheinen mal als Welle, mal als Teilchen, sie bewegen sich auf Verwirr-Bahnen von Ort zu Ort und können sogar durch zwei Löcher auf einmal fliegen. Dieses Chaos zu beobachten, erfordert einen geradezu gigantischen wissenschaftlich-technischen Aufwand. Mit bloßem Auge ist davon nichts zu erkennen. Der Mensch macht mit seinem angeborenen Sinnessystem aus dieser wirren Mikrowelt eine eindeutige Realität und benennt sie mit BAUM, PFERD oder eben HUNDESCH ...
Wirklichkeit mit "Zwiebelprinzip"
Damit das Problem der Wirklichkeit nicht länger endlos hin- und hergedreht wird, hat der Philosoph Hans Lenk einen Vorschlag gemacht: Warum sollte man nicht die große WIRKLICHKEIT einfach in ein vielschichtiges System von kleinen Wirklichkeiten aufgliedern? Die Erfahrungen und Grenzen des Menschen wären dann jeweils kleine, einzelne Wirklichkeiten.
Soziale Normen beengen die Freiheit, der denkende Geist hat sich mit den Gedanken anderer Geister herumzuschlagen, der Körper des Menschen - eingezwängt in den Körper einer rollenden Blechkiste - prallt gegen den Körper eines Baums. Kaum einer, der aus dem Wrack seines Autos glimpflich entkommen ist, wird die tatsächliche Existenz des Baumes anzweifeln wollen - oder ...?!