Schenk Graf von Stauffenberg als Filmheld
25. Februar 2004Das bekannteste Attentat, das auf Adolf Hitler verübt wurde, war der missglückte Bombenanschlag vom 20. Juli 1944 im sogenannten "Führerhauptquartier Wolfsschanze" in Ostpreußen. Claus Schenk Graf von Stauffenberg deponierte einen Aktenkoffer mit dem Sprengsatz unter Hitlers Konferenztisch, noch in der Nacht zum 21. Juli 1944 wurde Stauffenberg deswegen erschossen.
Für den deutschen Regisseur und Drehbuchautor Jo Baier ist Stauffenberg ein Held. Sein Spielfilm über den zum Widerstandskämpfer gewordenen Wehrmachtsoffizier ist der erste, der im 60. Jahr nach den Ereignissen im deutschen Fernsehen zu diesem tragischen und heiklen Thema gesendet wird.
Nur vage Vorstellungen
Wie vage das Bild von Stauffenberg und seinen Mitstreitern in der Öffentlichkeit ist, hat Jo Beier an sich selbst erfahren: Bei der Pressevorführung seines Films gestand er, dass er vor Beginn der Arbeiten Vorbehalte hatte. "Mir kamen sofort Adel und Militär in den Sinn, auch Vorurteile". Während der Arbeit habe sich dann seine Sicht verändert. Baier sprach mit den letzten noch lebenden Zeitzeugen, studierte persönliche Dokumente und Briefe Stauffenbergs.
"Sein Lachen war berühmt. Ein bisschen schlampig ist er durch die Gegend gelaufen, mit offenem Uniformknopf. Und er war Schwabe, kein preußischer Junker", so Beier bei der Filmpräsentation. Für sich selbst habe Beier einen humorvollen, lockeren Menschen, entdeckt, der ihm sehr sympathisch sei.
Tiefgreifender Wandel
In kurzen Schlüsselszenen beleuchtet der Film den Wandel von Stauffenbergs Hitler-Bewunderung bis hin zu tiefster moralischer Empörung und dem Entschluss, Hitler zu töten. Dass in diesem heroischen Plan auch etwas Fanatisches liegt, verleugnet Baiers Film nicht. "Es gibt kritische Flecken an diesem Helden", sagt der Regisseur, eine "gewisse Rücksichtslosigkeit" gegenüber Frau und Kindern. Denn Stauffenberg war bereit, notfalls die eigene Familie zu opfern.
Die Kritiken in der deutschen Presse sind durchweg wohlwollend positiv. Allerdings mit der Einschränkung, dass zu wenig klar gemacht werde, wie viele an der Vorbereitung dieses 20. Juli mitgewirkt haben, der einen kompletten Systemwechsel herbeiführen sollte und nicht nur die Beseitigung der Person Hitlers alleine. Es war ein minutiös vorbereiteter Staatsstreich an dem Hunderte beteiligt waren.
Der Historiker und Verfasser einer immer noch als Standardwerk geltenden Hitler-Biografie, Joachim Fest, sieht in dem Film "Stauffenberg" eine Chance, Vorurteile gegen den Widerstandskreis vom 20. Juli 1944 zu widerlegen. Noch heute würden die Akteure als elitäre Reaktionäre dargestellt - obwohl sich zahlreiche Oppositionsgruppen aus allen
Schichten zusammengeschlossen hätten. "Der 20. Juli ist ein Gedenktag zweiter Klasse geblieben", urteilt Joachim Fest.
Schwieriges Andenken
Immer noch umstrittenen ist die historische Bewertung und Einordnung der Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944. Ob ihnen bei einem möglichen Erfolg auch der Rückhalt der deutschen Bevölkerung sicher gewesen sei, bezweifeln viele. Noch lange nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und nach bekannt werden der unvorstellbaren Verbrechen der Nationalsozialisten hielt ein Großteil der deutschen Bevölkerung die Verschwörer des 20. Juli für "Verräter" oder aber für elitäre Militärs, die nicht weniger antidemokratisch als die Nationalsozialisten selbst gewesen seien.
Mit dem 4,5 Millionen teuren 90-minütigen Historien-Spielfilm Jo Beiers beginnt in Deutschland das öffentliche Gedenken an den deutschen Widerstand gegen Hitler vor 60 Jahren. Im März beginnt das ZDF eine ganze Dokumentations-Reihe unter dem Titel "Sie wollten Hitler töten". Die ARD zeigt im Juni Dokumentationen über den militärischen Widerstand gegen Hitler. (mib)