Film über Europäer in Afrika
23. Juni 2011Ebbo ist seit Jahren Arzt im Kamerun. Er bekämpft dort unter anderem die legendäre "Schlafkrankheit". In Afrika hat er sich eingelebt, an die dortige Korruption ist er gewöhnt. Seine Teenagertochter, die in Deutschland auf ein Internat geht und nur noch in den Ferien nach Afrika kommt, ist ihm fremd geworden. Nun soll Ebbo aber wieder zurück nach Deutschland und schickt Frau und Tochter vor.
Eigenwillig und offen
Ebbo verlässt Afrika aber nicht, er reist seiner Familie nicht hinterher, er bleibt. Regisseur Ulrich Köhler verweigert sich in seinem Film einer linearen Erzählweise. Er will nichts erklären, schafft eine eigenwillige Stimmung. Über die Motive Ebbos im Kamerun zu bleiben, kann man nur spekulieren. Zunächst führt Köhler auch einen zweite Hauptfigur ein: Alex, einen Franzosen mit kongolesischen Wurzeln. In Frankreich gilt er als Afrikaner und muss sich mit Vorurteilen auseinandersetzen. Dabei war Alex, der auch Arzt ist, noch nie Afrika. Er hat sich für den ihm fremden Kontinent noch eine Form von Idealismus bewahrt und glaubt an den Segen der europäischen Entwicklungshilfe. Mit Geldern, glaubt Alex, könne man Afrika helfen. Deshalb geht er auch in den Kamerun, um das Hilfeprogramm zu evaluieren, das Ebbo aufgebaut hat.
Zwei Welten
Alex wird im Kamerun mit seinen Ängsten und Vorurteilen konfrontiert. Er sucht Ebbo, der lange verschwunden bleibt, dann urplötzlich wieder auftaucht. Ebbo hat eine zweite, afrikanische, Familie gegründet und auch ein neues Kind. Sein Hilfsprogramm ist schon lange nicht mehr effektiv, weil die Schlafkrankheit fast völlig besiegt ist. Mit einem Franzosen macht Ebbo dubiose Geschäfte. Tagelang verschwindet er im Dschungel, auch am Ende des Films. Was aus ihm oder Alex wird, bleibt offen.
Für den Filmemacher ist dieser Film eine Rückkehr in seine Kindheit. Er wuchs in einem beschaulichen Dorf in Zaire auf. Seine Eltern sind Entwicklungshelfer. Er selbst kam erst im Alter von neun Jahren nach Deutschland. Irgendwann besuchte er als erwachsener Mann seine Eltern, die wieder als Entwicklungshelfer arbeiteten. Ihm fiel auf, dass er Afrika verdrängt hatte und die gesamte Form der Entwicklungshilfe sehr kritisch sah. Irgendwann ließ Köhler das Thema nicht mehr los. Er teilt die Kritik vieler Experten und meint: "In den letzten 50 Jahren hat die Entwicklungshilfe nicht unbedingt positive Entwicklungen in Gang gesetzt. Der Versuch, von außen demokratische Strukturen und wirtschaftlichen Wohlstand zu schaffen, geht einfach nicht auf".
Nachdenkliches Kino aus Deutschland
Geschickt versteht es der Regisseur die großen politischen Fragen über das postkoloniale Engagement Europas niemals vordergründig zu stellen und sich ganz auf seine Protagonisten zu konzentrieren. Der sehenswerte und komplexe Film ist in seiner Originalfassung mehrsprachig, hauptsächlich auf Französisch gedreht. Diese neue sprachliche Offenheit ist auch ein Ausdruck kultureller Vielfalt. Das tut dem deutschen Film gut. Leider sind die Verleiher noch nicht so weit wie die Filmemacher. In den deutschen Kinos wird hauptsächlich eine durchsynchronisierte deutsche Fassung angeboten, obwohl die Originalfassung so viel authentischer ist.
Autor: Jörg Taszman
Redaktion: Jochen Kürten