Schleichende Attacke auf die Leber
4. Oktober 2005Die Beschwerden sind zuerst nicht klar und sie unterscheiden sich auch nicht von denen eines grippalen Infektes - Müdigkeit, Schlappheit und Bauchschmerzen werden in der Regel nicht mit Hepatitis C in Verbindung gebracht. Auch bei erhöhten Leberwerten haben Ärzte in der Vergangenheit nicht immer sofort auf die Viruserkrankung geschlossen, die zu einer chronischen Entzündung der Leber führen kann. Die Spätfolgen können verheerend sein - Leberzirrhose, also eine Schrumpfung der Leber oder auch Leberkrebs. "Nur durch mehr Information kann man dieser Krankheit mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen", sagt Ingo van Thiel vom Verein Leberhilfe e.V. Das sei umso wichtiger, weil viele Menschen, die mit Hepatitis C infiziert sind, stigmatisiert werden.
Vorurteile und Wissenslücken
"Ignoranz kennt keine Grenzen, das haben wir im Kontakt mit unseren Partner-Vereinen in Europa und Ägypten mitbekommen", sagt der Experte. Die Ausgrenzung von Betroffenen nach dem Motto "leberkrank gleich Alkoholiker" und "hepatitiskrank gleich Drogenabhängiger" sei auch über Europa hinaus sehr weit verbreitet.
Das liegt oft daran, dass die Ansteckungsgefahr im Alltag übertrieben dargestellt wird. Auf der anderen Seite sind die tatsächlichen Gefahren für eine Infektion kaum bekannt. Eine Ansteckung mit Hepatitis C ist grundsätzlich nur durch Blutaustausch oder über die Schleimhäute möglich. Allerdings sei die Übertragung des Virus beim Geschlechtsverkehr eher selten, sagen Ärzte.
Eine Infektion durch eine Bluttransfusion wiederum ist zumindest in Europa durch einen Blut-Test mittlerweile fast ausgeschlossen, was in den 1980er-Jahren noch ganz anders aussah. Dagegen sind Drogenabhängige nach wie vor stark gefährdet. Sie können sich durch den gemeinsamen Gebrauch von Spritzen infizieren. In Entwicklungsländern sind die Risiken dabei aber deutlich größer.
Bedrohung für die Entwicklungsländer
"Grundsätzlich ist es so, dass vor allem in Ländern mit unterentwickeltem Gesundheitssystem, wo Hygienemängel vorherrschen und beim Spritzen und bei Eingriffen gleiche Instrumente genutzt werden, die Verbreitungsquote weitaus höher ist", sagt van Thiel. In Ägypten könne man zum Beispiel davon ausgehen, dass bis zu 14 Prozent der Bevölkerung betroffen sind, während es in Deutschland nur 0,5 bis 1 Prozent sind.
Da das Virus erst im Jahr 1989 identifiziert wurde, befindet sich auch ein weltweites Netzwerk erst im Entstehungsprozess. Entsprechend spärlich sind die Zahlen über Erkrankungen gerade aus weniger entwickelten Regionen der Welt. In Südostasien beispielsweise weisen nach Informationen der Weltgesundheitsorganisation nur drei Länder Zahlen über Infizierte aus, in Afrika sind es zwölf Länder. So gehen Ärzte und Wissenschaftler davon aus, dass weltweit rund 170 Millionen Menschen chronisch an Hepatitis C erkrankt sind, das heißt länger als sechs Monate das Virus in sich tragen.
Jedes Jahr infizieren sich drei bis vier Millionen Menschen neu. "Doch das größte Problem ist die Dunkelziffer, weil ein großer Teil der Infizierten nichts davon weiß", sagt Thomas Berg, Oberarzt für Hepatologie am Virchow-Klinikum der Charité Berlin. "Man bezeichnet Hepatitis C darum auch als eine schleichende Erkrankung, weil sie nicht akut gefährlich ist und lange Zeit nicht bemerkt wird", erklärt der Mediziner. Bis zu 30 Jahre lang könne das Virus sich so unentdeckt im Körper halten und schließlich zu einer Leberzirrhose führen.
Diagnose oft zu spät
Viele Infizierte, die das nicht merken, haben Pech und werden erst im fortgeschrittenen Stadium auf ihre Erkrankung aufmerksam. Das Virus hat die Tücke, dass es häufig nicht von allein weggeht, sondern einen chronischen Verlauf verursacht. Es bleibt dann im Körper und führt zu einer chronischen Entzündung der Leber und damit zur Leberzirrhose.
Wird die Infektion früh genug erkannt, ist sie jedoch heilbar, durch eine Therapie aus einer Kombination von Medikamenten. Die Patienten müssen sich dafür einmal in der Woche mit Interferon spritzen, einem Protein, das das Immunsystem dazu veranlassen soll der Infektion entgegenzuwirken. Zusätzlich müssen Tabletten eingenommen werden, die das Virus hemmen. Die Therapieerfolge sind gut: Bei 50 bis 80 Prozent der Patienten schlägt das Verfahren an. Allerdings hängen sowohl die Behandlung als auch der Erfolg vom Stadium der Infektion ab.
Grundsätzlich gilt: Je eher die Infektion erkannt wird, desto besser. Wird die Krankheit erst nach Jahren entdeckt und die Leber ist schon geschädigt, kann es für eine antivirale Therapie zu spät sein. Dann können Patienten im schlimmsten Fall nur auf eine Transplantation hoffen. Das ist nach Schätzungen von Ärzten in Europa in 20 Prozent der chronischen Erkrankungen der Fall.
Impfschutz noch weit entfernt
Eine Impfung gegen Hepatitis C wie zum Beispiel bei den Schwesterkrankheiten Hepatitis A und B ist bisher nicht möglich und liegt auch in weiter Ferne. Denn das Virus verändert sich - ähnlich dem AIDS-Virus - ständig und stellt Wissenschaftler derzeit noch vor große Probleme. "Ein Impfstoff wie wir ihn kennen, wird es wahrscheinlich für Hepatitis C nicht geben", sagt Oberarzt Thomas Berg. Möglicherweise könne man aber neue Formen für Impfungen finden, die das Immunsystem stärken. "Damit lässt sich zwar eine Infektion nicht ganz verhindern, aber zumindest die Entwicklung einer chronischen Krankheit", erklärt der Mediziner. Das scheint möglich, der Weg dahin ist aber noch weit.
Für die Leberhilfe und ihre europäischen Partner-Organisationen steht deshalb die Aufklärung über die Krankheit im Vordergrund. Darum haben sie auch den Welt-Hepatitis-Tag am 1. Oktober 2005 initiiert und hoffen von politischer Seite auf Unterstützung. So soll dem EU-Gesundheitskommissar Markos Kuprianou eine Petition mit 40.000 Unterschriften aus 14 europäischen Ländern übergeben werden. Darin fordern die Verbände mehr Aufmerksamkeit für die Krankheit und die Einrichtung europaweiter Vorbeuge- und Behandlungsprogramme für die zwölf Millionen Infizierten in Europa.