Schnäppchen oder Altlast?
4. Juni 2003Der Markt ist groß: Jedes Jahr werden mehr als 100 Milliarden US-Dollar für gebrauchte Maschinen ausgegeben - und die Nachfrage steigt. Aber sind ausrangierte Maschinen wirklich ein Schnäppchen, oder belasten sie die Umwelt und verhindern die Entwicklung von heimischer Industrie? Um Antworten zu finden, hat der Rat für nachhaltige Entwicklung beim unabhängigen Beratungsinstitut Adelphi Research eine Studie in Auftrag gegeben.
Fabriken auf Reisen
Wenn ein Stahlarbeiter der deutschen Westfalenhütte in ein paar Jahren seinen Enkeln zeigen möchten, wo er früher gearbeitet hat, muss er weit reisen - ungefähr 9000 Kilometer. Denn das komplette Stahlwerk wird seit einigen Monaten in ein gigantisches Puzzle aus 250.000 Tonnen Stahl verwandelt. Millionen Einzelteile werden um die halbe Welt transportiert und schließlich in China wieder zusammengesetzt. Für das neue Stahlwerk wurden 1960 rund zwei Milliarden Euro bezahlt - heute ist das gebrauchte Werk nur noch 100 Millionen Euro wert. Für die Chinesen ein Schnäppchen.
Walter Kahlenborn, Geschäftsführer von Adelphi Research, gibt jedoch zu bedenken, dass vermeidliche Gebrauchtmaschinen-Schnäppchen zu einer großen Belastung werden können: "Für die Käufer ist es sehr schwierig, Umweltauswirkungen und überhaupt Energie- und Ressourcenverbrauch dieser gebrauchten Anlagen zu bewerten. Die Käufer schauen meistens allein auf die Investitionskosten, wenig auf die Betriebskosten und haben von daher kaum Bezug zu den Umweltauswirkungen."
Spätfolgen
Für die Exportländer ist der Handel mit alten Maschinen in jedem Fall vorteilhaft. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie ihren Maschinenpark ständig erneuern. Wenn sie dann noch Geld für die alten Maschinen bekommen, anstatt sie aufwendig zu entsorgen - um so besser.
Dagegen profitieren die Importländer nicht unbedingt von dem Handel. Zwar sind gebrauchte Maschinen billiger, können schneller aufgebaut werden und sind unter Umständen leichter zu reparieren als neue, komplizierte Maschinen. Auf der anderen Seite können die ausrangierten Maschinen die Umwelt sehr stark belasten und hohe Betriebskosten haben. Zudem sind sie oft nicht so sicher wie neue Maschinen. Außerdem können die niedrigen Preise für
Gebrauchtmaschinen verhindern, dass sich ein Markt für heimische Maschinen entwickeln kann. Soll also der Import von gebrauchten Maschinen in Entwicklungsländer lieber ganz untersagt werden?
Der Standort entscheidet
Eine generelle Schließung der Märkte hält Carsten Hellpap von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) nicht für sinnvoll: "Wir müssen sehr spezifisch hinschauen, wo wir stehen. Das kann im Textilbereich vollkommen anders sein als in der Zementindustrie oder in der Stahlindustrie. Es kann in der Textilbranche sinnvoll sein zu sagen: Wir lassen das offen, weil der Import von Gebrauchtmaschinen diesen Sektor nach vorne bringt und es kann sein, dass man das in einem anderen Bereich sehr viel stärker unterbinden muss, weil die Nachteile stark überwiegen."
Offenheit tut not
Was aber tun, damit nur solche Maschinen eingeführt werden, bei denen die Nachteile nicht überwiegen? Die Importländer sollten ihre Erfahrungen mit dem Import von Gebrauchtmaschinen austauschen, meint Hellpap von der GTZ. Und die Regierungen sollten den Import regulieren. Es sollte staatliche Regeln geben, dass beispielsweise Maschinen, die importiert werden, durch Sachverständige begutachtet werden oder bestimmte Kennzeichnungen aufweisen müssen. Oder die Maschinen dürften bestimmte Energie- und Emissionswerte nicht überschreiten.
Die Verantwortung für die Umwelt liegt aber nicht nur in der Hand der Importländer. Kahlenborn von Adelphi Research schlägt vor, dass beispielsweise Entwicklungsbanken oder Exportkreditanstalten den Entwicklungsländern unter die Arme greifen könnten. "Sicherlich ein wichtiger Ansatzpunkt wäre die Investitionen zu stützen." Dort, wo extrem abgenutzte, umweltbelastende Gebrauchtmaschinen ausgewählt würden, sollte den Käufern über finanzielle Stützungen möglich gemacht werden, Neuanlagen zu erwerben." Anlagen, die sich der Käufer in einem Entwicklungsland ansonsten nicht leisten könnte.