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Schon länger El-Kaida-Basis

2. Januar 2010

Der vereitelte Anschlag auf ein Passagierflugzeug vor der Landung in Detroit hat den Jemen als Terroristen-Nest ins Licht gerückt. Diese Rolle spielt der labile Staat allerdings schon seit Langem.

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Männer mit Waffen im Jemen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance / dpa

Die Luft ist bleischwer. Angehörige einer jemenitischen Anti-Terror-Einheit trainieren: Es wird scharf geschossen, selbst über die Köpfe lebender Zielscheiben hinweg. Solche Vorführungen werden Besuchern gerne gezeigt, um unter Beweis zu stellen, dass das Land entschlossen gegen den Terrorismus vorgeht. Weniger offen gezeigt wird, dass die Ausbildung unter den Augen und der Anleitung US-amerikanischer Experten stattfindet. Die sind schon seit Jahren im Jemen im Einsatz, denn das Land im Süden der Arabischen Halbinsel entwickelt sich immer mehr zu einer Drehscheibe von Anhängern und Sympathisanten des El-Kaida-Netzwerks. Je mehr die Terroristen in anderen Regionen unter Druck gerieten, desto mehr wandten sie sich dem Jemen zu. Einem Land, das sich bis heute als ideale Basis dafür anbietet.

Jemen: Stadtansicht von Sanaa (Foto: dw)
Die Altstadt von Sana'a, der jemenitischen HauptstadtBild: DW/Klaus Heymach

Innerlich ohne wirkliche Zentralgewalt ist der Jemen seit Langem vom Auseinanderbrechen gefährdet. Nicht wegen der regional herrschenden Stämme, die ihre Unabhängigkeit gegenüber der Regierung in Sana'a zu behaupten versuchen, sondern vor allem wegen separatistischer Bestrebungen im Süden des Landes und einem eskalierenden Kampf mit schiitischen Clans im Norden. Im Süden hatte bis 1990 die "Demokratische Volksrepublik" bestanden, die dann im wiedervereinten Jemen aufging. Die unterschiedliche Entwicklung macht die Menschen im Süden empfänglicher für Widerstand gegen die Zentralregierung, während der Streit mit Stämmen im Norden schon viel älter ist.

An den Rand eines "failed state"

Diese internen Probleme, gekoppelt mit großer Armut und niedrigem Bildungsstand, Rückständigkeit und traditionell-religiöser Verwurzelung der Bevölkerung haben den Jemen an den Rand eines "failed state" getrieben. So wie es Afghanistan einst erging. Genau diese Situation ist der ideale Nährboden für terroristische Gruppen, die sich dort erst recht staatlicher Kontrolle entziehen können. Begünstigt werden sie im Jemen weiter durch geografische und regionale Bedingungen: Der Jemen grenzt an Saudi-Arabien, wo der harte Kern der El Kaida ihren Ursprung hat, er ist nicht weit von Somalia und anderen Zielen in Ostafrika entfernt und er liegt an weltweit wichtigen Seewegen von großer strategischer Bedeutung.

Die brennende Botschaft der USA in Jemen (Foto: AP)
2008 wurde die US-Boschaft in Jemen Ziel eines AnschlagsBild: AP/SABA

Lange Jahre hatten Washington und seine Verbündeten nur sehr wenig getan, um das Scheitern des Jemen abzuwenden. Und das, obwohl die Negativ-Entwicklung bereits vor dem 11. September begann und auch bekannt wurde: Bereits im Jahr 2000 kamen 17 US-amerikanische Besatzungsmitglieder um, als Selbstmordattentäter das Kriegsschiff "USS Cole" vor der Südküste des Jemen mit einem Schlauchboot angriffen. Seitdem betreiben die USA zwar eine Verfolgungsjagd nach den Hintermännern, sie kümmern sich aber wenig um das allgemeine Abgleiten des Landes. Dafür waren und sind sie zu sehr mit dem Irak, Afghanistan und auch Pakistan, beschäftigt.

Regelmäßig werden Ausländer entführt

Weitere Warnsignale fehlten nicht: Wenn in der Vergangenheit Ausländer im Jemen entführt wurden, kamen diese meist gegen bestimmte Leistungen der Zentralregierung für die Entführer unversehrt frei. Seit einiger Zeit gibt es Überfälle, bei denen Ausländer ermordet wurden. Der Hintergrund war entweder politisch oder aber religiös motiviert und es ging längst nicht mehr – wie früher – um den Bau einer Straße oder die Freilassung inhaftierter Stammesangehöriger.

Diese Eskalation verstärkte sich im gleichen Maße wie die Anhänger von El Kaida im Jemen erstarkten: Aus Guantánamo heimgekehrte Jemeniten wurden wieder in der Organisation aktiv, fast zwei Dutzend im Jemen inhaftierte Terroristen brachen aus und nahmen ihr blutiges Handwerk wieder auf, außerdem schlossen sich El-Kaida-Anhänger in Saudi-Arabien – wo sie unter beträchtlichen Druck geraten waren – mit denen im Jemen zu "El Kaida der Arabischen Halbinsel" zusammen.

Barack Obama (Foto: AP)
US-Präsident Barack Obama will stärker mit dem Jemen kooperierenBild: AP

Jetzt ist das internationale Interesse da

Solche Signale blieben gleichwohl weitgehend ohne Reaktion im Ausland, auch bei den Staaten, die anderswo aktiv am "Kampf gegen den Terrorismus" beteiligt sind. Erst der vereitelte Anschlag auf eine amerikanische Linienmaschine zu Weihnachten löste Alarm aus. Der Täter stammt zwar aus Nigeria, war aber im Jemen von El Kaida angeworben worden. US-Präsident Barack Obama kündigte nicht nur eine Untersuchung der eigenen Sicherheitsorgane an, sondern auch eine Verstärkung der Kooperation mit dem Jemen.

In London hat inzwischen Premierminister Gordon Brown eine internationale Erörterung der Entwicklungen im Jemen angeregt, die Ende Januar stattfinden soll. Das Terrornetzwerk El Kaida hat sich zu dem Anschlagsversuch an Weihnachten bekannt. Der Jemen droht damit zu einem neuen Schlachtfeld im Kampf gegen den Terrorismus zu werden. Nachdem dieser Kampf im Irak, in Afghanistan und in Pakistan bislang – wenn überhaupt – nur begrenzt von Erfolg gekrönt ist, sicher keine ermutigende Entwicklung.

Autor: Peter Philipp

Redaktion: Manfred Götzke