Schon wieder Richtungsstreit in der AfD
22. Oktober 2015Die AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen kritisierten Höcke in einer parteiinternen Rund-Mail wegen seines umstrittenen Auftretens. Darin erklärten Petry und Meuthen, dass sie sich ebenso wie die meisten AfD-Mitglieder "vom derzeitigen Stil des Auftretens des thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke nicht vertreten" fühlten. Er sei legitimiert, für den Landesverband Thüringen zu sprechen, nicht aber für die Bundespartei.
Die AfD ziele auf eine "breite Verankerung in der Gesellschaft" ab und wolle sich von denjenigen unterscheiden, "die zu Recht im politischen Diskurs Deutschlands als Extremisten gebrandmarkt" würden, schrieben Petry und Meuthen. "Wir überlassen die Bedienung von billigen Reflexen denjenigen, die mehr nicht zu bieten haben." Petry sagte zudem ihre Teilnahme an einer Anti-Asyl-Kundgebung der Thüringer AfD am 4. November in Erfurt ab.
"Interne Angelegenheiten"?
Höcke reagierte zurückhaltend auf die Kritik der Parteispitze. Er habe mit Petry telefoniert und ihr eine Mail geschrieben, erklärte er in Erfurt. "Interne Angelegenheiten regeln wir intern." Zudem betonte Höcke, die AfD habe einen Bundesvorstand, "der eine gute Arbeit macht und der in der Lage ist, ein großes Meinungsspektrum innerhalb der AfD zu erhalten".
Höcke hatte zuletzt immer wieder mit provokanten Auftritten und verbalen Attacken gegen Flüchtlinge von sich reden gemacht - zuletzt am Sonntag in der ARD-Talk-Sendung "Günther Jauch". Dort drapierte der Thüringer Fraktionschef der AfD demonstrativ eine Deutschlandfahne über seine Stuhllehne. Später behauptete er, Deutschland würde sich mit den Flüchtlingen "sozialen Sprengstoff importieren".
Auftritte auf Erfurter Domplatz
Als weithin beachtetes Forum für seine Auftritte nutzt Höcke derzeit die regelmäßigen AfD-Kundgebungen in Erfurt. Dort hatte er unter anderem von "Angstträumen für blonde Frauen" wegen der vielen Flüchtlinge gesprochen und behauptet, dass die Deutschen die Migranten weder integrieren könnten noch wollten. Am Mittwoch demonstrierten rund 4.000 Menschen auf dem Erfurter Domplatz gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Das waren nach Angaben der Polizei nur halb so viele Teilnehmer wie vor zwei Wochen. Zugleich stieg die Zahl der Gegendemonstranten von zuletzt 800 auf 2.500. Der Polizei gelang es nach eigenen Angaben, beide Lager auf Distanz zu halten.
Die jüngste Kundgebung fand vor einem dunklen Domberg statt. Das Bistum Erfurt hatte die Scheinwerfer als Zeichen des Protestes abgeschaltet. Redner der AfD-Veranstaltung kritisierten die Entscheidung. Der Auftakt ihrer Kundgebung wurde zudem vom Glockenläuten mehrerer Erfurter Kirchen als "Aufruf zu Frieden und Mitmenschlichkeit" begleitet. Das Bistum wollte nach eigenen Angaben verhindern, dass ein angestrahlter Domberg "als Kulisse für die AfD-Veranstaltung herhalten muss". Das Ensemble von Mariendom und Severikirche ist das Wahrzeichen von Thüringens Landeshauptstadt. Bei einer ähnlichen Demonstration im Januar hatte das Erzbistum Köln die Beleuchtung des Doms abgeschaltet.
Kein Ausschlussverfahren gegen Höcke
Die frühere AfD-Führung um Bernd Lucke hatte ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke angestrengt und dies unter anderem mit dessen mangelnder Abgrenzung zur rechtsradikalen NPD begründet. Nach der Spaltung der Partei auf dem Essener Parteitag im Juli ließ Petry das Verfahren einstellen. Auf dem Parteitag hatte sich der rechtsgerichtete Parteiflügel um Petry durchgesetzt, dem Höckes Auftreten nun aber offenbar zu weit geht.
In Umfragen scheint die AfD derzeit stark von der Flüchtlingskrise zu profitieren. Bundesweit liegt sie um die sieben Prozent, einzelne Landesverbände bewegen sich im zweistelligen Bereich.
kle/sti (afp, dpa, kna, epd)