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Schröder und die USA

Klaus Dahmann15. Mai 2003

US-Außenminister Powell wird zu Gesprächen in Berlin erwartet. Die Stimmung zwischen den USA und Deutschland ist schlecht, seit Bundeskanzler Schröder einen US-kritischen Kurs eingeschlagen hat. Wie kam es dazu?

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Traute Eintracht - vor einem Jahr:<br>Bush und Schröder in BerlinBild: AP

"Ich habe dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush die uneingeschränkte Solidarität Deutschlands zugesichert." Das sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Von "uneingeschränkter Solidarität" mit den USA war in Berlin viel die Rede. Da war das deutsch-amerikanische Verhältnis noch in Ordnung, auch noch, als US-Präsident Bush Ende Januar 2002 den deutschen Bundeskanzler in seinem Amtssitz, dem Weißen Haus, empfing.

Kurz zuvor hatte Bush erstmals von einer "Achse des Bösen" gesprochen, die den Weltfrieden bedrohe, und namentlich Nordkorea, Iran und den Irak genannt. Der deutschen Regierung dürfte schon dies missfallen haben, aber Schröder blieb gelassen. Auch als die US-Drohungen gegen Bagdad immer schärfer wurden und sich in Deutschland erste Kritiker zu Wort meldeten, stellte sich der Kanzler noch demonstrativ hinter Bush: "Es ist angemessen und richtig, auf den Irak und die Regierung von Saddam Hussein Druck auszuüben, damit er das, was die Vereinten Nationen von ihm verlangt haben, auch erfüllt."

Warme Worte und Eiszeit

Um Harmonie bemüht war Schröder auch, als der US-Präsident Ende Mai 2002 persönlich nach Berlin kam, um seine Position zu erläutern. Nach Bushs Rede vor dem deutschen Bundestag war Schröder überzeugt, Zeuge einer "wirklich bedeutenden Rede" gewesen zu sein, die sorgfältig gepflegte Vorurteile über die amerikanische Politik und den Präsidenten nun wirklich gründlich widerlegt habe.

Warme Worte - doch schon bald folgte die Eiszeit: Der Streit um den Internationalen Strafgerichtshof, in dem Washington mit allen Mitteln generelle Immunität für alle US-Bürger durchzusetzen versuchte. Bilder vom Lager Guantanamo Bay, die zeigten, dass die Gefangenen aus Afghanistan unter erniedrigenden Bedingungen in Käfigen gehalten wurden. Und nicht zuletzt die Forderung der USA, Saddam Hussein müsse abdanken, sonst werde man ihn mit Waffengewalt dazu zwingen.

In der deutschen Bevölkerung war die Stimmung im Spätsommer 2002 endgültig gekippt. Und Bundeskanzler Schröder, der um seine Wiederwahl bei den Bundestagswahlen im September bangte, machte nun die Irak-Frage - aus innenpolitischer Sicht durchaus erfolgreich - zu einem zentralen Wahlkampfthema. Auf einer Kundgebung in der niedersächsischen Kleinstadt Goslar erklärte er erstmals: "Ich bin gegen eine militärische Intervention im Irak. Und unter meiner Führung würde Deutschland sich daran nicht beteiligen."

Keine Glückwünsche zum rot-grünen Wahlsieg

Der absoluten Tiefpunkt zwischen Berlin und Washington war schließlich erreicht, als die damalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin kurz darauf Bush mit Adolf Hitler verglich. So stellte es zumindest ein Zeitungsreporter dar. Alle Dementis der Ministerin kamen zu spät - denn schon war die Nachricht in Washington gelandet. Die dortige Empörung schwoll nun zu einem größeren Erdbeben an: Die Äußerungen seien "ungeheuerlich", hieß es. So kurz vor der Bundestagswahl wollte Schröder die Justizministerin aber nicht mehr entlassen - er drängte sie lediglich dazu, auf einen Posten im neuen Kabinett zu verzichten.

Auf den rot-grünen Wahlsieg reagierte das Weiße Haus entsprechend eisig: Kein Anruf, um zu gratulieren, kein Glückwunsch-Telegramm. Statt dessen der Hinweis: Was deutsche Politiker während des Wahlkampfs gesagt hätten, werde man nicht so schnell vergessen. Schröder bemühte sich, die Wogen zu glätten: Eine gute Freundschaft wie die zwischen den USA und Deutschland, sagte er, müsse doch Meinungsverschiedenheiten aushalten. Außenminister Joschka Fischer und Verteidigungsminister Peter Struck reisten nach Washington. Und nach langem Drängen wurde dem Bundeskanzler ein zehnminütiges Telefongespräch mit dem US-Präsidenten gewährt. Dann das Wiedersehen beim NATO-Gipfel in Prag: Der demonstrative Händedruck zwischen Schröder und Bush galt da schon als Sensation.

Das "neue Europa"

In Sachen Irak aber blieb der Bundeskanzler dabei: Nein zum Irak-Krieg - und schon gar keine deutsche Beteiligung. Im Januar 2003 bekam Schröder Rückendeckung von Frankreichs Präsident Jacques Chirac: Der nutzte die Feierlichkeiten zum 40. Jubiläum des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags, um klar zu machen, dass er ein militärisches Eingreifen im Irak ebenfalls ablehne. Und Schröder und Chirac holten noch Russlands Präsident Wladimir Putin mit ins Boot. Damit war das Trio komplett, das eine Legitimierung einer US-Intervention im Irak durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) schließlich verhinderte.

Schröder und Chirac zur letzten Instanz
"Neue Europäer" unter sich: Chirac und Schröder in BerlinBild: AP

Die Reaktion aus Washington kam prompt: Frankreich und Deutschland seien doch ohnehin nur "altes Europa", da verlasse man sich lieber auf Länder des "neuen Europa" wie Polen oder Rumänien, die einen Irak-Krieg unterstützten - so US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Und Schröder musste sich gefallen lassen, dass sein Land in einem Atemzug mit den Diktaturen Kuba und Libyen genannt wurde.

Zwar ist mittlerweile nicht mehr Deutschland, sondern Frankreich die Zielscheibe Nummer eins für bissige Äußerungen aus Washington - doch die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind nicht besser geworden. Jedenfalls nicht auf Regierungsebene. Oppositionspolitiker wie CDU-Chefin Angela Merkel werden in Washington empfangen. Aber Telefongespräche zwischen Schröder und Bush? Fehlanzeige. Nun lasten einige Erwartungen auf dem Besuch von US-Außenminister Colin Powell bei Schröder in Berlin am Freitag (16. Mai 2003).