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Sprachförderung in der Grundschule

Alois Berger25. Juni 2013

Kinder mit Migrationshintergrund brauchen in der Schule oft eine besondere Förderung. In Bonn greifen einige Eltern in die eigene Tasche, um Schüler mit Sprachproblemen besser zu unterstützen.

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Lehrerin Gabriela Schäfer und Schüler der Bonner Erich-Kästner-Schule im Klassenzimmer (Foto: DW/A.Berger)
Erich-Kästner-Schule Bonn, Lehrerin Gabriela Schäfer und SchülerBild: DW/A. Berger

Der Schultag beginnt mit dicken Tränen. Anna hat eine neue Brille und Franka ätzt, sie sehe komisch aus damit. Jetzt ist Anna untröstlich und Frau Schäfer braucht ein bisschen länger, bis das eine Mädchen ihr endlich glaubt, dass die Brille schick ist und das andere einsieht, dass man so etwas nicht sagt und bis die ganze Klasse 3a ruhig und aufnahmebereit an den Schultischen sitzt.

Kurz danach baut Anna im Deutschunterricht einen sehr schönen Fragesatz mit Subjekt, Prädikat und Objekt, den sie laut und deutlich an Paul richtet. Der stellt nach seiner korrekten Antwort eine neue Frage an Jusuf. 23 Schüler aus 12 Ländern unterrichtet Gabriela Schäfer in dieser dritten Klasse der Erich-Kästner-Schule in Bonn. Manche, wie zum Beispiel Tom, haben gleich mehrere Heimatländer in der Familie und einen vielschichtigen Migrationshintergrund: "Also, ich komme aus England, mein Vater aus den Niederlanden, meine Mutter aus Südafrika und meine Schwester aus Deutschland, also von hier."

Trotz der vielen Nationalitäten hat die Schule von Anna, Paul, Jusuf und Tom nicht das Stigma der "Brennpunktschule". Das liegt sicher auch daran, dass die Erich-Kästner-Schule zwar in einem Stadtteil liegt, in dem viele Sozialhilfeempfänger leben, die Schüler insgesamt aber eine bunte Mischung bilden. Gerade unter den Eltern der Ausländerkinder sind viele Ärzte, Apotheker, Professoren. In der Schule fällt auf, dass die Kinder fast nie in einer Fremdsprache miteinander sprechen, auch wenn sie den gleichen Migrationshintergrund haben. "Das kommt höchstens mal in der Pause vor", erzählt der Sonderpädagoge der Schule, Markus Wolf, "wenn es darum geht, dass irgendein anderes Kind nicht mitkriegen soll, was sie sagen."

Außenansicht der Erich-Kästner-Schule in Bonn (Foto: DW/A. Berger)
Bunt und multikulturell: die Erich-Kästner-SchuleBild: DW/A. Berger

Aus PISA gelernt

Markus Wolf organisiert seit einigen Jahren an der Erich-Kästner-Schule die individuelle Förderung von Schülern, die im Unterricht nicht so recht mitkommen. Zwar gibt es auch hier den inzwischen üblichen Sprachunterricht für Kinder mit Migrationshintergrund. "DAZ", sagt Gabriela Schäfer, Deutsch als Zweitsprache. "Da überlegen wir dann, in welchen Stunden verpassen sie nicht viel, und dann gehen die in der Zeit in die DAZ-Stunden."

Solch zusätzlicher Sprachunterricht ist inzwischen an praktisch allen Schulen in Deutschland üblich. Die Schulbehörden haben aus ernüchternden Analysen wie etwa der PISA-Studie gelernt. Aber an der Erich-Kästner-Schule waren viele, vor allem deutsche Eltern der Meinung, dass das nicht reicht. Damit ihre Kinder die bestmögliche Förderung erhalten, haben sie die Finanzierung einer zusätzlichen Lehrerstelle organisiert. Dazu mussten sie einen Verein gründen, über den die Stelle finanziert wird, mit Zuschüssen der Schulbehörde. Einige Eltern greifen dafür sogar selbst ziemlich tief in die Tasche: Sie unterstützen den Verein mit großzügigen Spenden.

Ob diese Eltern sich um die Chancen der schwächeren Schüler sorgen oder ob es doch eher die Angst ist, ihre eigenen Kinder könnten durch die Sprachschwierigkeiten von Mitschülern behindert werden, das ist für Gabriela Schäfer und Markus Wolf unwichtig. Sie sehen die zusätzliche pädagogische Stelle vor allem als Möglichkeit, mit individueller Betreuung einzelner Schüler zu zeigen, wie einfach manche Schulprobleme mit ein bisschen Geld zu lösen sind.

Schulpädagoge Markus Wolf (Foto: DW/A. Berger)
Übt mit den Kindern: Schulpädagoge Markus WolfBild: DW/A. Berger

Chinesisch manchmal wichtiger als Deutsch

In der 3a von Gabriela Schäfer etwa spielt die Nationalität so gut wie keine Rolle mehr. Selbst Hao aus Schanghai fällt kaum noch aus dem Rahmen. Dabei ist Hao vor zwei Jahren ohne die geringsten Vorkenntnisse nach Deutschland gekommen und wird - was die Sache noch schwieriger macht - im nächsten Jahr wieder nach China umziehen. Seine Eltern finden deshalb, dass Deutsch nicht so wichtig sei. "Ich muss ganz viel Chinesisch lernen", sagt Hao.

Aber für die Klasse von Frau Schäfer ist es schon wichtig, dass Hao im Unterricht mitkommt. Deshalb geht er regelmäßig mit Jusuf und anderen hinunter in den kleinen, mit Büchern vollgestellten Raum gleich neben dem Schultor. Markus Wolf übt dann mit ihnen Deutsch und was ihnen sonst noch Probleme bereitet. "Wir entwickeln mit den Lehrern zusammen für jeden ein individuelles Förderprogramm", betont der Pädagoge, "weil die Bedürfnisse komplett unterschiedlich sind."

Migrationshintergrund: Süddeutschland

Jusuf zum Beispiel hat kaum noch Schwierigkeiten mit seinem Deutsch, obwohl es auch für ihn nicht einfach war: "Mein Vater kommt aus dem Iran, meine Mutter aus dem Irak, zu Hause sprechen wir Iranisch." Jusuf ist stolz darauf, dass er neben Deutsch auch fließend Iranisch kann, so wie auch Hao und Tom stolz auf ihre Zweisprachigkeit sind. Und man sieht ihnen an, wie gut es tut, dass ihre Fähigkeiten von der Klasse anerkannt werden. "Ja, weil einem der Tom manchmal hilft, wenn man nicht weiß, wie das englische Wort heißt," schwärmt Daya, und Alexander findet andere Sprachen sowieso gut: "Die sagen dann manchmal auch etwas in ihrer Sprache oder können den Namen in Chinesisch auf die Hand schreiben. Das ist cool."

Klassenlehrerin Gabriela Schäfer findet, dass man gerade an den deutschen Kindern in ihrer Klasse ganz gut sehen könne, dass die Erich-Kästner-Schule doch vieles richtig gemacht habe. "Die Kinder sehen eben andere Nationalitäten als ganz normal an. Und sehen auch: Es gibt Kinder, denen kann ich ein bisschen helfen."

Als Hao, Jusuf und Tom von ihrer Herkunft und ihren Familien erzählen, steht Laura etwas schüchtern daneben. Es sieht fast so aus, als ob sie ein bisschen neidisch wäre auf die Sprachen und die verwickelten Lebenswege. Vielleicht hat sie sich deshalb ihren eigenen Migrationshintergrund zurechtgelegt: "Ich bin Laura und ich komme aus Süddeutschland und Deutschland."