Schulessen ohne religiösen Beigeschmack
3. Februar 2013Spaghetti Bolognese, Hähnchen in Sahnesoße und Schnitzel mit Pommes frites gehören zu den beliebtesten Gerichten, die in deutschen Schulkantinen serviert werden. Doch was die einen Schüler gerne essen, kommt für die anderen nicht in Frage - aus religiösen Gründen. Welchen Sprengstoff ein Speiseplan bergen kann, hat eine Schule in Betzdorf in Rheinland-Pfalz erlebt. Dort hatte eine Lehrerin versehentlich Schweinefleisch statt Rindfleisch an muslimische Schüler verteilt. Die Eltern beschwerten sich, der Fall wurde publik und zog weite Kreise.
Religiöse Speisevorschriften sind mit ein Grund, warum Schulessen nur mit mäßigem Erfolg angenommen wird, meint Johanna-Elisabeth Giesenkamp. Zwar gebe es dazu keine detaillierten Untersuchungen: "Aber es gibt Studien, die zu dem Schluss kommen, dass kulturelle und religiöse Anforderungen in Schulkantinen nicht genug beachtet werden", sagt die Haushalts- und Ernährungswissenschaftlerin der Hochschule Osnabrück.
Rücksicht auf die Religion
Jede zweite Schule in Deutschland muss ihren Schülern mittlerweile eine Mittagsverpflegung anbieten. Auf die Speisevorschriften unterschiedlicher Religionen wird dabei zu selten Rücksicht genommen. "Viele wissen nicht genau, was sie zum Beispiel muslimisch-gläubigen Schülern anbieten können", sagt Giesenkamp. "Da wird dann überhaupt kein Schweinefleisch mehr serviert." Auch das führt zu Diskussionen: Manche Schüler beschweren sich, wenn Gerichte mit Schweinefleisch dauerhaft vom Speiseplan verschwinden.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts hat sich Johanna-Elisabeth Giesenkamp ausführlich mit Speisevorschriften in unterschiedlichen Religionen beschäftigt - und zusammen mit weiteren Autoren einen Leitfaden geschrieben. Ihre Erkenntnis: Speisen, bei denen sich alle Religionsgruppen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, laufen in der Regel auf vegetarische Kost hinaus. Gerichte wie Gemüseeintopf sind für Muslime, Juden, Buddhisten und Hindus genauso unproblematisch wie für Christen. Allein vegetarische Kost anzubieten, sei kontraproduktiv, meint Giesenkamp. Schließlich solle die Akzeptanz von Schulessen bei allen Schülern gesteigert werden.
Großes Interesse der Schulkantinen
Ziel des neuen Leitfadens ist es, die wichtigsten Speisevorschriften vorzustellen und zu vergleichen, um zu zeigen, wie sie sich miteinander vereinbaren lassen. "Wir gehen davon aus, dass das Buch vor allem von Menschen gelesen wird, die Kenntnisse in der Küchenverpflegung haben, aber keine religiösen Kenntnisse", sagt Giesenkamp. Ergänzt wird der Leitfaden, der Mitte Februar erscheint, durch beispielhafte Speisepläne und konkrete Anregungen, wie eine Küche aussehen könnte, in der verschiedene Speisevorschriften eingehalten werden können. Jüdische Speisegebote verlangen etwa getrenntes Essgeschirr für Milch- und Fleischspeisen. Das Interesse an dem Leitfaden für Schulkantinen sei riesig, sagt Giesenkamp. Das liege unter anderem an der steigenden Zahl von Ganztagsschulen in Deutschland, die den Schülern ein Mittagessen anbieten müssen.
Giesenkamp hofft, dass ein differenzierter Speiseplan die Schüler schon früh anregt, sich mit interkulturellen Unterschieden auseinanderzusetzen. Günstiger wird das Essen in Schulen dadurch aber nicht - im Gegenteil. Giesenkamp rechnet damit, dass die Kosten steigen: "Wir haben bisher wenig Praxiserfahrung. Aber Fleisch, das den muslimischen und jüdischen Speisevorschriften entspricht, ist teurer im Einkauf, was sich natürlich auch auf den Endpreis durchschlagen muss", sagt die Ernährungswissenschaftlerin. "Von einer Schule aus Osnabrück, die bereits eine ähnliche Verpflegung eingeführt hat, wissen wir aber, dass die Preiszuschläge nicht ganz so hoch sind, wie wir erwartet hatten." Gut möglich also, dass bald manche Schulen neben Spaghetti Bolognese auch Bohneneintopf mit Lammfleisch anbieten - und Hähnchen mit Sahnesoße getrennt servieren.