"Schutz der Roma im Kosovo ist nicht ausreichend"
9. August 2002Köln, 9.8.2002, DW-radio, Britta Kleymann
Rund 40.000 Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien sollen, nach einem Vertrag zwischen der Bundesrepublik und der Republik Jugoslawien, notfalls per Zwangsabschiebung zurück geführt werden. Über die Situation der Flüchtlinge ein Bericht von Britta Kleymann:
1999 war es, als die NATO einen Einsatz im Kosovo beschloss. Den Luftangriffen folgten Friedenstruppen - doch auch die KFOR-Soldaten konnten die dort lebenden Minderheiten nicht vor Übergriffen schützen. Damals flohen Zehntausende Roma vor den Übergriffen extremistischer Albaner aus der Region, viele von ihnen haben in Deutschland Zuflucht gefunden. Doch auch heute, Jahre später, ist eine sichere Rückkehr in den Kosovo für sie unmöglich, berichtet Annelore Hermes von der Gesellschaft für bedrohte Völker:
"Die Probleme sind massiv, der Wiederaufbau ist noch gar nicht in Gang gekommen bei diesen Minderheiten, und sie müssen immer noch Angst haben, in bestimmten Regionen auf die Straße zu gehen, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Auch die humanitäre Lage ist schwierig, die Versorgung mit Nahrungsmitteln usw., Arbeitsplätze haben sie so gut wie gar nicht."
Wegen dieser schwierigen Bedingungen waren die Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo bisher in Deutschland vor Abschiebung geschützt. Das hat sich jetzt geändert: im Juni 2002 beschlossen die Bundesinnenminister, dass die Roma noch in diesem Jahr in ihre ursprünglichen Heimatländer zurückkehren sollen. Die UNO-Verwaltung im Kosovo ist vorläufig gegen Zwangsabschiebungen, im Herbst will sie weiter mit den Innenministern beraten. Eine allzu kurze Schonfrist für die Roma-Flüchtlinge, meint Annelore Hermes:
"Angst haben sie, und berechtigte Angst, wie es weitergeht nach dem Herbst. Sie werden jetzt schon aufgefordert, Deutschland freiwillig zu verlassen, freiwillig in den Kosovo zurückzukehren, eine Aufforderung, die wir als Menschenrechtsorganisation ganz problematisch finden, denn die Tatsache, dass sie jetzt nicht abgeschoben werden, heißt doch, dass das deswegen nicht gehen kann, weil der Schutz der Roma im Kosovo noch nicht ausreichend ist."
Auch Serbien ist kein sicheres Zufluchtsziel für die Roma-Flüchtlinge, denn dort ist die Lage kaum besser als im Kosovo. Flüchtlingsorganisationen sprechen von einem Teufelskreis aus starker sozialer und wirtschaftlicher Verelendung, dem die Roma kaum entkommen können. Trotz allem hat es jetzt in Deutschland die erste Abschiebung gegeben: In der letzten Woche wurde ein Roma-Ehepaar aus Essen verhaftet und ausgeflogen. Ein herber Rückschlag für die etwa 650 Roma-Flüchtlinge, die bereits seit Monaten für ihr Bleiberecht in Deutschland protestieren. Bis jetzt hatten sie mit ihren Kundgebungen keinen Erfolg, aber aufgeben werden sie nicht, so der Sprecher der Gruppe, Dzani Sichelschmidt:
"Wenn das alles keine Früchte tragen sollte, dann werden wir das Problem international publik machen und auch nach Brüssel und Straßburg gehen."
Jetzt hängt alles von den deutschen Innenministern ab. Wenn sie nicht einlenken, droht den Roma-Flüchtlingen die Zwangsausweisung - trotz aller Proteste. Die Gesellschaft für bedrohte Völker plädiert jedoch für eine andere Lösung:
"Wir denken, dass noch vor dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2003 eine Regelung gefunden werden muss, die ihnen die Möglichkeit einräumt, sich hier eine weitere Lebensperspektive aufzubauen." (fp)