Schweiz: Saubere Energie aus den Alpen
In der Schweiz ist eines der leistungsstärksten Pumpspeicherkraftwerke Europas in Betrieb gegangen: Nant de Drance soll die Energieversorgung der Schweiz und Europas stabilisieren.
Blaues Juwel
Strahlend blau funkelt der Stausee Vieux Emosson, gelegen in den Walliser Alpen, in der Sonne. Anfang August ging hier das zweitgrößte Pumpspeicherkraftwerk der Schweiz ans Netz: Nant de Drance liefert mit 900 Megawatt so viel Energie wie ein Block eines Atom- oder Kohlekraftwerks und kann 900.000 Haushalte mit Strom versorgen.
Kraftakt fürs Kraftwerk
Was lange währt, wird endlich gut: 14 Jahre dauerte der Bau der rund 2,3 Milliarden Euro teuren unterirdischen Anlage. Arbeiterinnen und Arbeiter trieben in dieser Zeit zwei Vertikalschächte in den hochalpinen Fels, durch die das Wasser gepumpt werden kann. Insgesamt wurden Stollen in einer Länge von 17 Kilometern angelegt.
Schmaler Grat
Das eigentliche Kraftwerk befindet sich 600 Meter unter dem Damm des Vieux Emosson, auf dem hier gerade Menschen spazieren, in einer Art gigantischen Höhle. Nant de Drance nutzt den Höhenunterschied zwischen zwei bestehenden Stauseen, dem Lac du Vieux-Emosson und dem Lac d’Emosson, um Energie zu erzeugen und zu speichern.
In der Tiefe liegt die Kraft
Die Anlage funktioniert wie eine riesige Batterie: Das Wasser des tiefer gelegenen Emosson wird mit Hilfe von Pumpen auf das höhere Level des Stausees befördert; die Pumpen werden immer dann angeworfen, wenn Strom aus anderen Quellen wie Wind und Sonne die aktuelle Nachfrage übersteigt - also überschüssig ist. Hier sind Wasserstandsmarkierungen am Ufer des Vieux Emosson zu sehen.
Turbo-Turbinen
Auf diese Weise wird die Energie gespeichert: Wenn Strom benötigt wird, fließt das Wasser mit Hilfe der Schwerkraft aus dem 2200 Meter hoch gelegenen oberen Reservoir wieder zurück - darin befindet sich genügend Wasser für bis zu 20 Stunden Volllastbetrieb. Dabei treiben 360 Kubikmeter Wasser pro Sekunde diese sechs Turbinen an.
Energie innerhalb von fünf Minuten
Die 20 Gigawattstunden Energie, die in Nant de Drance gespeichert werden können, sind eine gigantische Menge: "Das bedeutet, dass man mit einem vollen Tank 400.000 Elektroauto-Batterien gleichzeitig aufladen kann“, sagte Kraftwerkdirektor Alain Sauthier der Nachrichtenagentur Reuters. Es dauere weniger als fünf Minuten, um vom Pumpbetrieb auf volle Stromerzeugung umzuschalten.
Sauberer Energieüberschuss
Arbeiter schließen Nant de Drance an das Stromübertragungsnetz an. Die Schweiz erzeugt bis zu 60 Prozent ihres Stroms aus Wasserkraft - im Jahresdurchschnitt mehr, als sie verbraucht. Der Überschuss wird exportiert: 2020 waren das mit 5,6 Terawattstunden fast zehn Prozent der inländischen Stromproduktion. Dank des neuen Kraftwerks könnte die Eidgenossenschaft den Export weiter steigern.
"Wir haben Europa etwas zu bieten"
"Wir sind auf Europa angewiesen. Und wir haben Europa auch mit Pumpspeicherkraftwerken wie Nant de Drance etwas zu bieten", sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga in einem Interview. Hier posiert sie kurz vor der Eröffnung vor der Staumauer des Vieux Emosson. Angesichts drohender Energieengpässe könnte das neue Schweizer Kraftwerk zur Versorgungssicherheit in Europa beitragen.