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Schweizer Notenbank schockiert die Märkte

15. Januar 2015

Seit 2011 hat die Schweizerische Nationalbank die Wirtschaft des Landes vor den Folgen eines zu starken Franken geschützt. Jetzt gibt sie den Kampf auf und leitet eine Kehrtwende ein.

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Bild: Reuters/R. Sprich

Die Schweizer Notenbank vollzieht eine radikale Wende: Die SNB gab den seit mehr als drei Jahren geltenden Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro überraschend auf. Den Mindestkurs hatte sie im Zuge der Euro-Schuldenkrise eingeführt, um die heimische Exportwirtschaft zu entlasten. Die Furcht vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone hatte damals zu massiven Zuflüssen in den gern als sicheren Hafen angesteuerten Franken geführt. Die Notenbank reagierte mit dem Kauf von Devisen in zuvor unerreichtem Ausmaß.

Nachdem die Maßnahme zunächst Früchte trug, stieg der Kurs des Franken zum Euro 2014 aber wieder kontinuierlich. Auch die Krise des russischen Rubel erhöhte den Druck auf den Schweizer Franken. Im Dezember führte die Zentralbank einen Negativzins von minus 0,25 Prozent für hohe Guthaben von Banken, Wertpapierhändlern, Versicherungen und internationalen Organisationen ein.

Begründung für die Befreiung des Franken

"Der Mindestkurs wurde in einer Zeit der massiven Überbewertung des Frankens und größter Verunsicherung an den Finanzmärkten eingeführt", erklärten die Währungshüter am Donnerstag. "Der Franken bleibt zwar hoch bewertet, aber die Überbewertung hat sich seit Einführung des Mindestkurses insgesamt reduziert." Noch Anfang des Jahres hatte SNB-Präsident Thomas Jordan den Mindestkurs als unverzichtbar bezeichnet.

Die Nationalbank begründete ihren jetzigen Schritt auch mit der unterschiedlichen geldpolitischen Ausrichtung wichtiger Währungsräume - also der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Fed. Diese werde sich vermutlich "noch weiter akzentuieren". Indem sich der Euro gegenüber dem Dollar deutlich abgewertet habe, habe sich auch der Franken im Vergleich zum Dollar abgeschwächt. Angesichts dessen sei sie zu dem "Schluss gekommen, dass die Durchsetzung und Aufrechterhaltung des Euro-Franken-Mindestkurses nicht mehr gerechtfertigt sind".

Neben der Aufhebung des Mindestkurses kündigte die SNB an, dass der Strafzins auf Einlagen von Banken bei der Zentralbank erhöht wird. Der Zins für Guthaben auf den Girokonten, die einen bestimmten Freibetrag übersteigen, wird um 0,5 Prozentpunkte auf minus 0,75 Prozent angehoben.

Folgen an den Finanzmärkten

Da die SNB den Euro-Mindestkurs nicht mehr durch Stützungskäufe verteidigen will, brach der Kurs des Euro um bis zu 28 Prozent ein - so stark wie noch nie. Dabei markierte er mit 0,8639 Franken ein Rekordtief. In seinem Sog geriet der Euro auch zum Dollar ins Rutschen. Sein Kurs fiel auf ein Neun-Jahres-Tief von 1,1665 Dollar.

Symbolbild Schweizer Franken
Der Franken ist nicht mehr so stark überbewertetBild: picture-alliance/dpa

Experten gehen davon aus, dass sich die Talfahrt des Euro in den nächsten Wochen noch einmal beschleunigen dürfte - vor allem, wenn die EZB wie derzeit erwartet eine Ausweitung ihrer ultralockeren Geldpolitik beschließen wird. Viele Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Notenbanker schon auf ihrer nächsten geldpolitischen Sitzung am 22. Januar den Ankauf von Staatsanleihen ankündigen wird.

An der Züricher Aktienbörse wurde durch die Ankündigung der SNB ein Kurssturz ausgelöst. Der Leitindex SMI brach am Donnerstag um bis zu 14 Prozent ein. Das ist der größte Verlust seiner Geschichte. Dabei büßten die dort gelisteten Unternehmen zusammen etwa 140 Milliarden Franken an Marktkapitalisierung ein. Das entspricht in etwa der Schweizer Wirtschaftsleistung eines Quartals. Der Aktienumsatz lag am Mittag schon fast vier Mal so hoch wie an einem gesamten Durchschnittstag.

Reaktionen der Experten

Das Risiko für eine Rezession in der Schweiz nehme durch den Schritt der SNB nun schlagartig zu, erklärte Daniel Kalt, Volkswirt bei der Schweizer Großbank UBS.

Helaba-Analyst Ulrich Wortberg meint, die Schweizer Notenbank werde mit ihrem Kurswechsel an Glaubwürdigkeit verlieren, da sie in den vergangenen Monaten stets die vehemente Verteidigung des Mindestkurses betont hatte.

"Die größte Überraschung der heutigen Entscheidung ist, dass die SNB sich gegen einen gelenkten Rückzug entschieden hat - sie hat dem Euro zum Franken komplett den Boden entzogen", heißt es von der JP Morgan Research. "Das ist zwar die sauberste Option für die SNB - alle Verbindungen zur Geldpolitik der EZB können nun gekappt werden. Aber es ist auch die Option mit dem größten Risiko, den Euro-Franken-Kurs unter den fairen Wert zu drücken, den wir bei etwa 1,10 Franken sehen."

"Die Interventionen der vergangenen Wochen waren wohl für die eidgenössischen
Währungshüter zu viel. Bei der Einführung des Mindestwechselkurses war an punktuelle Interventionen gedacht, nicht aber an permanente", glaubt Thomas Gitzel von der VP Bank. "Letztlich dürfte aber auch die Gold-Initiative eine gewisse Rolle bei der Entscheidung gespielt haben. (...) Da der Franken auf den aktuellen Kursniveaus deutlich gegenüber dem Euro überbewertet ist, sollten sich nach einer Übertreibungsphase wieder höhere Kursniveaus beim Währungspaar Euro-Franken einstellen."

Der Jefferies-Stratege Jonathan Webb glaubt: "Die SNB geht vermutlich davon aus, dass die EZB in der kommenden Woche auf ihrer Ratssitzung ihre Geldpolitik weiter lockern wird." "Angesichts der anstehenden Wahlen in Griechenland wäre es für die Schweizer ziemlich schwierig, den Mindestkurs aufrecht zu halten."

wen/iw (rtr, dpa, afp)