Schweizer stellen sich gegen ihre Regierung
13. Februar 2022Tabakwerbung wird in der Schweiz weiter eingeschränkt. Bei einer Volksabstimmung sprachen sich 55,6 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Vorlage aus, die die Regierung zur Ablehnung empfohlen hatte. Tabakwerbung muss nun überall dort verboten werden, wo Kinder und Jugendliche sie sehen können. So darf es in der Öffentlichkeit keine Plakate mit Tabakprodukten mehr geben, ebenso ist Werbung an Kinos, in Medien oder an Sportplätzen tabu. Bislang ist Tabakwerbung nur im Radio und Fernsehen untersagt, und solche, die sich direkt an Minderjährige richtet. Der Regierung ging das zu weit.
Die Schweiz ist ein wichtiger Standort für die Tabakindustrie. Die größten Tabakkonzerne der Welt haben Niederlassungen dort. Es wird Tabak angebaut, verarbeitet und exportiert. Die Branche untergrabe die Präventionspolitik und nehme Einfluss auf die Tabakgesetzgebung, schreibt die Eidgenössische Kommission für Tabakprävention. In einem Index über die Anstrengungen von Regierungen, den Einfluss der Tabakindustrie zu begrenzen, belegte die Schweiz 2021 den vorletzten Platz unter 80 Ländern. Deutschland kam auf Platz 59.
Keine Medienförderung
Mit einem Medienpaket wollte die Regierung im Jahr 151 Millionen Franken (rund 144 Millionen Euro) zur Unterstützung von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen Verfügung stellen. Viele leiden am Anzeigen- und Abonnentenschwund und kämpfen ums Überleben. Unter anderem sollte die schon bestehende Unterstützung für die Zustellung ausgebaut werden. Erstmals sollten Online-Medien unter bestimmten Bedingungen direkt Geld erhalten.
Gegner warnten, dass die Medien damit ihre Unabhängigkeit verlören und nicht mehr neutral über die Regierung berichten würden. Nach Auszählung von 23 der 26 Kantone lehnten knapp 54,6 Prozent der Wählerinnen und Wähler die Pläne ab.
Eine weitere landesweite Vorlage wurde ebenfalls deutlich abgelehnt. Die Initiative von Tierschützern sah ein radikales Tierversuchsverbot vor. Auch Produkte, die unter Anwendung von Tierversuchen entwickelt wurden, sollten nicht mehr importiert werden dürfen.
Auch eine von der Regierung vorgeschlagene Abschaffung einer Unternehmer-Abgabe scheiterte am Wählerwillen. Dem Staat wären im Jahr 250 Millionen Franken (knapp 240 Millionen Euro) entgangen.
Keine Grundrechte für Affen
Mit über 75 Prozent Nein-Stimmen hat der Schweizer Kanton Basel-Stadt zudem die sogenannte Primaten-Initiative abgelehnt. Damit ist ein juristisches Experiment gescheitert, das Grundrechte für Affen gefordert hatte, wie das Schweizer Fernsehen berichtet. Bürgerliche Parteien, Wirtschaftsvertreter und der Basler Zoo setzten sich durch. Für die Initiatoren, die Denkfabrik Sentience Politics, ist das Ergebnis eine deutliche Niederlage.
Dass mit Basel-Stadt der erste Schweizer Kanton über ein solches Anliegen abstimmte, war kein Zufall. Der Stadtkanton wurde von den Initiatoren ausgewählt, weil es dort einen Zoo gibt, der Affen hält, ebenso große Pharma-Firmen, die in der Vergangenheit an Primaten geforscht haben. Die Initiatoren hatten gehofft, dass Basel ein Vorbild werden könnte, dem andere folgen könnten.
nob/hf (dpa, epd, kna)