Schwere Zeiten für Afrikas Luftfahrt
11. April 2021Immaculate Maina ist Vielfliegerin - oder zumindest war sie das, vor Corona. Aus beruflichen Gründen war die Kenianerin viel unterwegs, von einem Termin zum nächsten, am liebsten mit dem Flugzeug. "Ich vermisse es, immer dort zu sein, wo ich sein will und so zu arbeiten, wie ich das möchte", sagt Maina im DW-Interview. Früher habe sie immer gerne in den VIP-Lounges an den Flughäfen gearbeitet - heute stünden die Leute dort für Corona-Tests Schlange. "Das Vielflieger-Programm gibt es eigentlich nicht mehr", so Maina.
Die afrikanische Luftfahrt steckt seit Beginn der Corona-Pandemie in einer schweren Krise. Firmen haben Geschäftsreisen auf ein absolutes Minimum reduziert, die sonst zuverlässigen Touristenströme aus Asien, Europa und Nordamerika bleiben weitgehend aus. Im Februar musste mit Air Namibia eine der geschichtsträchtigsten Airlines des Kontinents den Flugbetrieb einstellen und Insolvenz anmelden, auch die Flieger der bereits vor der Krise strauchelnden South African Airways stehen seit über einem Jahr am Boden.
Passagierzahlen um mehr als die Hälfte eingebrochen
Inzwischen lässt sich die Krise auch in Zahlen ausdrücken: Rund 54 Millionen Passagiere sind im Corona-Jahr 2020 mit dem Flugzeug von, nach und innerhalb von Afrika geflogen - 2019 waren es noch mehr als doppelt so viele. Der Umsatz der Airlines auf dem Kontinent brach laut Zahlen des Verbands afrikanischer Fluggesellschaften (AFRAA) um rund 8,6 Milliarden Euro ein. Ein harter Schlag für eine Branche, die vor der Krise von einem Rekord zum nächsten jagte. Und ein Ende der Misere ist nicht abzusehen.
"Wir wissen, dass 2021 ebenfalls ein sehr schwieriges Jahr sein wird", sagt Abderahmane Berthé, Generalsekretär der AFRAA, im DW-Interview. Er verweist auf die neuen Virusvarianten und die langsame Impfgeschwindigkeit auf dem Kontinent. "Viele Airlines stehen kurz vor der Insolvenz, andere werden bereits abgewickelt und leider kommt die Unterstützung, die wir bei Regierungen und anderen Geldgebern angefragt haben, nur sehr langsam."
Die Fortschritte, die die Luftfahrtbranche im vergangenen Jahrzehnt bei der Vernetzung des Kontinents erreicht habe, stünden auf dem Spiel. Denn der weltweite Einbruch im interkontinentalen Flugverkehr wirke sich auch auf die innerafrikanischen Verbindungen aus - mit gravierenden Folgen: "Es kann sein, dass Passagiere über Knotenpunkte außerhalb des Kontinents fliegen müssen, wenn sie von einem afrikanischen Land in ein anderes afrikanisches Land wollen", so Berthé. Sein Verband bemühe sich, für Kooperationen zwischen den Airlines zu sorgen, um die entstandenen Lücken zu füllen.
Hoffnungsträger Fracht
Einige Akteure sehen die aktuelle Krise jedoch auch als Chance. Nach dem Aus für Air Namibia im Februar ergriff Afrikas Branchenprimus Ethiopian Airlines die Gelegenheit und baute sein Angebot für Flüge nach Windhoek aus. Auch die kleine südafrikanische Fluggesellschaft Airlink reagierte schnell und bietet seit einigen Wochen Flüge auf ehemaligen Air Namibia-Routen an. Mit dem Billiganbieter LIFT ging bereits im Dezember in Johannesburg sogar eine neu gegründete Airline an den Start - mitten in Südafrikas zweiter Corona-Welle.
"Das zeigt, dass es trotz der Pandemie und ihren Auswirkungen auf die Wirtschaft immer noch Zuversicht bei einigen Investoren gibt", sagt Phuthego Mojapele, unabhängiger Luftfahrtexperte und Berater aus Südafrika. Trotzdem stehe die Branche insgesamt vor großen Herausforderungen: "Es gibt wenig, was die Airlines tun können, alle werden in nächster Zeit drastische Veränderungen vornehmen müssen", so Mojapele im DW-Interview.
Eine dieser Veränderungen zeichnet sich laut Allan Kilavuka, CEO von Kenya Airways, bereits jetzt ab: "Wir werden unser Geschäft diversifizieren müssen und das Thema Fracht steht ganz oben auf der Liste." Seine Fluggesellschaft hat 2020 einen Einbruch der Passagierzahlen um 60 Prozent hinnehmen müssen, ein Rekordverlust von rund 277 Millionen Euro war die Folge. Im DW-Interview zeigt sich Kilavuka dennoch optimistisch: "Wir wollen wachsen und gleichzeitig unsere Kosten reduzieren."
Digitaler COVID-19-Reisepass als Chance?
Dass die Frachtfliegerei in Corona-Zeiten tatsächlich eine Alternative sein kann, hat Ethiopian Airlines vorgemacht. Die mit Abstand größte Fluggesellschaft des Kontinents hat früh auf die gestiegene Nachfrage im Warenverkehr gesetzt und schon im März 2020 25 Passagiermaschinen umrüsten lassen. Laut eigenen Angaben hat Ethiopian Airlines seither mehr als 5500 Frachtflüge mit den umgerüsteten Flugzeugen durchgeführt. Zu den Kunden gehören demnach unter anderem die WHO, Hilfsorganisationen und UNICEF, die das Angebot zur Verteilung von Lebensmitteln, Medikamenten, medizinischer Schutzausrüstung und Impfstoffen nutzen.
Wie lange es noch dauern wird, bis die Passagierluftfahrt in Afrika wieder das Vorkrisenniveau erreicht, ist laut AFRAA-Generalsekretär Berthé ungewiss. Alles hänge vom Impftempo ab, das stark zu wünschen übrig lasse. Erst kürzlich hatte die afrikanische Seuchenschutzbehörde Africa CDC erklärt, dass es bis Ende 2022 dauern könnte, mindestens 60 Prozent der Bewohner des Kontinents zu impfen. Mit einer Erholung des Flugverkehrs vor diesem Zeitpunkt rechnet Berthé deshalb nicht.
Immerhin: Dank eines von der Afrikanischen Union (AU) entwickelten digitalen COVID-19-Reisepasses sollen zumindest die langen Schlangen an Afrikas Flughäfen der Vergangenheit angehören. Statt langwierige Kontrollen von Test- und Impfzertifikaten über sich ergehen zu lassen, können Passagiere mithilfe der App My COVID Pass - die einige Fluggesellschaften bereits in ihre eigenen Reise-Apps integriert haben - nun digital nachweisen, dass sie die Einreisebestimmungen ihres Reiseziels erfüllen.
Mitarbeit: Andrew Wasike