TV-Diskussionen geplatzt
17. September 2009Jeder Politiker hat das Recht, seine Medienauftritte so zu wählen, wie ihm das sinnvoll erscheint. Wenn Bundeskanzlerin Merkel in diesen Wochen gerne bunten Illustrierten und Frauenzeitschriften Interviews gibt, ist dagegen erst einmal nichts zu sagen. Wenn sie allerdings Diskussionen mit ihren politischen Konkurrenten systematisch aus dem Weg geht, muss sie sich die Frage gefallen lassen, wie ernst sie die Wähler nimmt. Argumente in Interviews vorzutragen, ist eine Sache, in Diskussionen mit dem Gegner zu bestehen, eine andere. Gerade aus solchen Diskussionen können Wähler wichtige Erkenntnisse für ihre Entscheidung gewinnen. Wenn sich Angela Merkel dem entzieht, erscheint es so, sie fürchte sie die Diskussion.
Strategie der Einschläferung
Dabei ist es gar nicht Angst, die zu den Absagen geführt hat. Es ist schlimmer. Die Absagen sind Teil einer einschläfernden Wahlkampfstrategie. Weil auch zahlreiche Anhänger anderer Parteien Angela Merkel als Kanzlerin gut finden, hofft die CDU, dass davon viele am Wahltag zuhause bleiben. Würde dagegen der Wahlkampf inhaltlich aufgeladen, könnten die politischen Grundüberzeugungen dieser Wähler wieder stärker zum Tragen kommen - und sie könnten ihr Kreuz bei der Partei machen, der sie zuneigen. Auf den Stimmzetteln stehen schließlich die Parteien, nicht die Kanzlerkandidaten.
Bei der ersten geplanten Fernsehdiskussion der Spitzenkandidaten an diesem Donnerstag (17.09.2009) wollte sich Angela Merkel durch ihren Stellvertreter im Parteivorsitz, Christian Wulff, vertreten lassen. Dieser aber ist nicht nur kein Spitzenkandidat, er ist überhaupt kein Kandidat. Wulff ist Ministerpräsident von Niedersachsen, mithin Landespolitiker, und steht jetzt gar nicht zur Wahl. Deshalb hat SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier ebenfalls abgesagt. Damit aber entzieht auch er sich damit auch der Diskussion. Den Wählern hätte Steinmeier einen Gefallen getan, wenn er trotzdem teilgenommen hätte - stattdessen setzte er auf den theatralischen Effekt. Die zweite, für Montag geplante Diskussionsrunde ist aus dem gleichen Grund geplatzt.
Es geht auch anders
Das Ganze ist auch für die Fernsehverantwortlichen ein Armutszeugnis. Erst haben sie eine Diskussion zwischen den Kanzlerkandidaten von CDU/CSU und SPD, Merkel und Steinmeier, veranstaltet, zu der die anderen im Bundestag vertretenen Parteien nicht zugelassen waren. Und das, obwohl am 27. September keine Bundeskanzlerwahl stattfindet, sondern eine Bundestagswahl. Dann haben sie es sich gefallen lassen, dass Merkel von jemandem vertreten wird, der nicht zur Wahl steht. Und schließlich haben sie mit der Absetzung der Sendungen den anderen Parteien die Chance genommen, sich zu präsentieren.
Dabei geht es auch anders. Als Bundeskanzler Kiesinger 1969 bei einer Fernsehdiskussion der Spitzenkandidaten kneifen wollte, drohte das ZDF, die Sendung trotzdem durchzuführen und seinen Stuhl demonstrativ leer zu lassen. Wenige Stunden vor Beginn der Sendung sagte Kiesinger doch noch zu. Offenbar wurden die Wähler damals noch ernster genommen.