"Sea Eye 4" und 800 Flüchtlinge suchen Hafen
5. November 2021Mehr als 200 Kinder sowie Schwangere, Verletzte - insgesamt befinden sich etwa 850 Flüchtlinge und Migranten auf der "Sea Eye 4". Von einer absolut einmaligen Situation spricht der Vorsitzende der privaten deutschen Hilfsorganisation, Gordon Isler. An Bord sei es so eng, "wir können gar nicht mehr genau zählen". Aufgrund dieser Verhältnisse und der Dunkelheit unter Deck seien mehrere Personen kollabiert. Die 24 Crew-Mitglieder seien extrem belastet. Hinzu komme, dass die hygienische Versorgung an Bord nicht ausreiche, schilderte Isler dem Evangelischen Pressedienst die Situation. Das Schiff ist nach Angaben von Sea Eye für etwa 200 Menschen ausgelegt.
Die "Sea Eye 4" hatte die Menschen seit Dienstag in mehreren Einsätzen aus dem Mittelmeer gerettet. Allein in der Nacht zum Donnerstag nahmen die Helfer bei einem gemeinsamen Einsatz mit der "Rise Above" des Dresdner Vereins Mission Lifeline etwa 400 Menschen auf, die in Seenot geraten waren. Eine Person musste nach Angaben von Sea Eye nach der Rettung reanimiert werden.
Die italienischen Behörden haben der Crew immer noch keinen Hafen zugewiesen. Das Schiff nahm nach Aufnahme der Flüchtlinge und Migranten Kurs Richtung Lampedusa. Sea Eye beklagte, die eigentlich zuständigen maltesischen Rettungsdienste hätten erst gar nicht auf Hilferufe reagiert. "Es ist beschämend, wie Malta sich immer wieder seiner Verantwortung entzieht und Notrufe ignoriert", sagte der Vorsitzende Isler.
Auch die Besatzung der "Ocean Viking" rettete weitere im Mittelmeer in Seenot geratene Migranten. Sie nahm 69 Schiffbrüchige auf. Insgesamt sind nun 313 Menschen an Bord des privaten Rettungsschiffs, wie die Sprecherin der Betreiberorganisation SOS Méditerranée, Barbara Hohl, mitteilte.
Die Crew nahm die Menschen seit Dienstag bei vier Einsätzen an Bord. Unter den Überlebenden sind 89 Kinder und Jugendliche.
Jedes Jahr wollen Zehntausende Menschen nach Europa
Von der nordafrikanischen Küste aus starten alljährlich zehntausende Menschen in seeuntauglichen Booten die lebensgefährliche Überfahrt Richtung Europa. Die italienische Küste ist etwa 300 Kilometer entfernt. Immer wieder ertrinken Flüchtlinge beim Kentern ihrer oftmals völlig überfüllten Schlauch- oder Holzboote.
In diesem Jahr sind bisher fast 54.000 Migranten und Flüchtlinge in Italien angekommen. Das sind 29.000 mehr als im vergangenen Jahr und 10.000 Menschen weniger als im Jahr 2019, wie das Innenministerium in Rom mitteilte. Mehr als ein Viertel von ihnen kam aus Tunesien, das mit Italien ein Abkommen zur Aufnahme zurückgeschickter Migranten geschlossen hat. Die übrigen waren fast alle an der libyschen Küste in Boote gestiegen.
se/ww (epd, afp, ap, rtr)