Seenotretter bangen um ihr Image
30. Juli 2017Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) hat bisher noch kein Imageproblem - und Pressesprecher Christian Stipeldey arbeitet hart dafür, dass es erst gar nicht dazu kommt. Seitdem immer mehr verzweifelte Menschen aus arabischen und afrikanischen Ländern versuchen, auf überfüllten und nicht seetauglichen Schlauchbooten das Mittelmeer zu überqueren, kämpft er mit vielen Missverständnissen. Denn die Aufgabe seiner Organisation ist seit 150 Jahren, Schiffbrüchige in Nord- und Ostsee zu retten. Jetzt suggerieren Bilder und begleitende Texte, dass ihre Boote auch regelmäßig Flüchtlinge im Mittelmeer aufnehmen. Es ist die Manipulation dieser Bilder, die Stipeldey Sorge bereitet.
Eines der jüngsten Beispiele: AfD-Politikerin Frauke Petry nutzte für ihr Facebook-Profil ein Foto der Rettungsgesellschaft und versah es mit der rechtspopulistischen und schlicht falschen Zeile: "Bootstaxi nach Europa". "Wir können niemanden etwas unterstellen und wir wissen auch nicht, wie das zustande gekommen ist - aber wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass dieses Foto nicht nur korrigiert wird, sondern auch aus dem Netz verschwindet", sagt Stipeldey der DW.
Andere Medien nutzten Fotos der Seenotretter, um die Vorwürfe von Bundesinnenminister Thomas de Maizière gegen einzelne auf dem Mittelmeer tätige Menschenrechtsorganisation zu bebildern. Auch Fotos in den Datenbanken der Nachrichtenagenturen wurden falsch bezeichnet und führten zu Missverständnissen. "Da müssen wir nachhaken, denn wenn sich dieser Eindruck in der Öffentlichkeit verstärkt, dann werden wir dieser Entwicklung nicht mehr Herr", so Stipeldey. "Wir wollen den Unterschied deutlich machen."
Langjährige Spender halten
Stipeldey muss viel Aufklärungsarbeit leisten: Die deutschen Seenotretter haben nichts mit der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer zu tun. Ihre Schiffe wären viel zu klein, um alle Passagiere eines sinkenden Bootes aufzunehmen oder die weiten Distanzen auf dem Mittelmeer zurückzulegen. Sie sind fast ausschließlich auf Nord- und Ostsee unterwegs und kümmern sich dort zum Beispiel um Fischer, Segler oder Fähren in Not. Für die Organisation geht es um viel - um viel Geld. Denn die 1865 gegründete Gesellschaft finanziert sich ausschließlich durch Spenden. Deshalb ist ihr ihr Image so wichtig.
Für Verwirrung hat allerdings gesorgt, dass die Mitglieder dann doch in der Ägais im Einsatz waren. Denn als immer mehr Flüchtlinge versuchten, per Boot vom türkischen Festland auf die griechischen Inseln zu gelangen, sei Griechenland völlig überfordert gewesen. "Die griechischen Kollegen, also ebenfalls Seenotretter, haben uns und andere nordeuropäische Seenotrettungsgesellschaften 2016 gebeten, sie auszubilden und besser auszurüsten, um die Situation bewältigen zu können", erklärt Stipeldey. Obwohl das eigentlich nicht ihre Zuständigkeit war, sagten sie zu. Im Mittelpunkt stand die Ausbildung der Griechen und der Einsatz war auf ein paar Monate begrenzt. Das hat die DGzRS einerseits bekannter gemacht und möglicherweise auch neue Spender aktiviert - andererseits haben sich einige langjährige Spender abgewandt, die humanitäre Hilfe im Mittelmeer offenbar ablehnen.
Ehrenamtliche motivieren
Für die Gesellschaft sind diese Zuwendungen aber existentiell - und nicht nur die. Auch ihre Arbeit ist maßgeblich vom Engagement anderer abhängig: Denn von den rund tausend Mitarbeitern sind 800 ehrenamtlich tätig. Sind sie im Einsatz, müssen sie innerhalb von Minuten reagieren, ihr Ölzeug anlegen und bei Sturm und Unwetter raus aufs Meer. Und wie andere Organisationen auch müssen die Seenotretter Menschen motivieren, in ihrer Freizeit diese Verantwortung zu übernehmen und möglicherweise ihr Leben zu riskieren. "An manchen Stationen ist es schwierig, Nachwuchs zu bekommen, vor allem wenn sie in dünn besiedelten Gegenden liegen. Aber es ist noch nie vorgekommen, dass es hieß: 'Wir können nicht fahren, wir haben nicht genug Leute'."
Fast 700 Menschen konnten 2016 gerettet werden, mehr als 2000 Einsätze gab es in dem Jahr. Seit dem Bestehen der Gesellschaft wurden über 80.000 Menschen gerettet. Heute reicht es oftmals auch aus, den Havarierten bei der Reparatur ihres Schiffes zu helfen. Und der Schiffsverkehr nimmt zu, vor allem auf der Ostsee zwischen Deutschland und Skandinavien und dem Baltikum. Auch der Bau von Offshore-Windparks führt dazu, dass immer mehr Schiffe unterwegs sind. "Die Zahl der Einsätze ist seit Jahren konstant, auch weil die einzelnen Schiffe immer sicherer werden", betont Stipeldey. Das "richtige" Image aber bleibt ihm auch in Zukunft wichtig.