1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Seenotretter kritisieren Bundesregierung

14. August 2017

Zunächst hatten sie ihre Einsätze eingestellt, nun gehen mehrere in der Seenotrettung im Mittelmeer engagierte Hilfsorgansiationen in die Offensive: Die Bundesregierung solle handeln - doch Berlin will abwarten.

https://p.dw.com/p/2iCGV
Mittelmeer Rettung von Flüchtlingen
Bild: picture-alliance/dpa/SOS MEDITERRANEE/L. Schmid

Nach Ärzte ohne Grenzen, Sea-Eye und Save the Children erwägt mit dem deutschen Verein Sea-Watch die nächste Hilfsorganisation ihre Rettungsfahrten vor der libyschen Küste einzustellen. Sea-Watch kritisierte nicht nur die Gewaltdrohungen aus Libyen gegen unabhängige Rettungseinsätze für Flüchtlinge im Mittelmeer, sondern auch die Bundesregierung.

Sea-Watch: Zusammenarbeit mit Libyen "absoluter Skandal"

"Wir erwarten, dass die Bundesregierung ihre Unterstützung für die sogenannte libysche Küstenwache auf Eis legt, solange sie ihre Drohungen nicht zurückzieht", sagte Ruben Neugebauer, Sprecher von Sea-Watch. Es sei ein "absoluter Skandal", dass Libyen Hilfsorganisationen unverhohlen bedrohen könne und trotzdem weiter von der Politik unterstützt werde. Auch die Organisation "Jugend rettet" kritisierte die Zusammenarbeit der EU mit der libyschen Küstenwache.

Ruben Neugebauer Sprecher von Sea-Watch
Sea-Watch-Sprecher Neugebauer: Bundesregierung muss Unterstützung der libyschen Küstenwache einstellenBild: picture alliance/AP Photo/M. Sohn

Libyen habe mit der Androhung von Gewalt gegen andere in internationalen Gewässern "einen groben Bruch des  Völkerrechts angekündigt", betonte Neugebauer. Ähnlich äußerste sich der Deutschlandchef von Ärzte ohne Grenzen, Volker Westerbarkey. "Nicht wir handeln illegal, sondern die libysche Regierung, wenn sie unseren Mitarbeitern droht, legale Rettungsaktionen in internationalen Gewässern mit Gewalt zu verbieten", sagte Westerbarkey, der Zeitung "Die Welt".

Libyen hatte angekündigt, seine Hoheitsgewässer auszuweiten und nach Angaben der Hilfsorganisationen damit gedroht, Rettungseinsätze von Nichtregierungsorganisationen zur Not gewaltsam zu verhindern. Daraufhin hatten am Wochenende drei Nichtregierungsorganisationen ihre Einsätze vorerst eingestellt. In Küstennähe soll derzeit nur die Organisation SOS Mediterranee, die mit Ärzte ohne Grenzen auf dem Schiff "Aquarius" zusammenarbeitet, im Einsatz sein.

Bundesregierung: Offiziell keine Ausdehnung der Hoheitsgewässer

Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend auf den Stopp der Hilfseinsätze. Man respektiere die Entscheidung, sagte ein Sprecher des Auswärtiges Amtes in Berlin. Man beobachte die Situation im Mittelmeer mit großer Aufmerksamkeit. Es gebe derzeit keine belastbaren Erkenntnisse darüber, dass die libysche Küstenwache anders agiere als bislang.

Ein Boot der libyschen Küstenwache bringt auf dem Meer aufgegriffene Flüchtlinge zurück an Land
Ein Boot der libyschen Küstenwache bringt auf dem Meer aufgegriffene Flüchtlinge zurück an LandBild: picture alliance/AP Photo/M. Ben Khalifa

Der Sprecher erläuterte, offiziell gebe es keine Ausdehnung der Hoheitsgewässer. Das könne auch nicht einseitig von Libyen aus erfolgen, sondern benötige Absprache mit den Nachbarländern und eine Notifizierung. Man erwarte von der dortigen Küstenwache und der libyschen Einheitsregierung, dass sie sich an internationales Recht hielten, sagte der Sprecher.

Italien wirft EU-Staaten in der Flüchtlingsfrage Versagen vor

Die Hilfsorganisationen dagegen fürchten nach der Einstellung der Rettungsfahrten mehr Tote. Sea-Watch bezweifelt, dass Libyen in der Lage ist, Rettungseinsätze im Mittelmeer ordentlich durchzuführen. Die libysche Küstenwache sei eher eine Miliz, die auch Sea-Watch bereits bedroht habe.  Die Kapitänin des Schiffes der Organisation "Jugend rettet", Pia Klemp, bezeichnete die libysche Küstenwache als "eine völlig wahnsinnige Truppe, die wie im Wilden Westen auftritt - niemand kann sicher sein, ob er nicht von ihnen beschossen wird."

Das Rettungsschiff "Aquarius" der Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranee
Die "Aquarius" soll derzeit das einzige Rettungsschiff sein, das sich noch vor die libysche Küste trautBild: picture-alliance/dpa/L. Klimkeit

Hinter der Ankündigung Libyens die eigene Seenotrettung ausweiten zu wollen, werden auch Absprachen mit Italien vermutet. Die Regierung in Rom will den Zustrom von Migranten eindämmen. Auch weil sie sich von den anderen EU-Staaten alleine gelassen fühlt. In der "Bild"-Zeitung warf Italiens Außenminister Angelino Alfano den europäischen Regierungen Versagen vor. Zuletzt kamen allerdings deutlich weniger Migranten an als in den Vormonaten, laut EU-Zahlen waren es mit 10.160 im Juli 57 Prozent weniger als im Juni. Ein Grund dafür ist nach Einschätzung der EU-Grenzschutzagentur Frontex die stärkere Präsenz der libyschen Küstenwache.

EU erwägt Ausweitung der Triton-Mission 

Derweil hat die EU-Kommission eine mögliche Ausweitung der EU-Operation Triton ins Spiel gebracht, um den vorläufigen Rückzug einiger Hilfsorganisationen aus der Seenotrettung aufzufangen. Sollte es Bedarf geben, könne der Einsatzplan durch die europäische Grenz- und Küstenwache angepasst werden, sagte eine Sprecherin am Montag in Brüssel. Sie machte allerdings gleichzeitig klar, dass es an den italienischen Behörden sei, eine entsprechende Anfrage zu stellen.

Über die Operation Triton wird Italien von der EU bei der Kontrolle und Überwachung der Grenzen sowie bei Such- und Rettungseinsätzen im zentralen Mittelmeer unterstützt. Das eigentliche Einsatzgebiet der Operation endet 138 Seemeilen
südlich von Sizilien. Es umfasst damit die italienischen Hoheitsgewässer sowie Teile der Such- und Rettungsgebiete Italiens
und Maltas.

ww/qu (afp, dpa, epd, kna)