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Deutsche Gegenwehr hilft

Wolfgang Dick27. März 2013

Bis Mai muss der Bundestag entscheiden, ob sich Deutschland im Kampf gegen Seepiraten weiter beteiligt. Bisher war die EU-Mission "Atalanta" mit deutscher Hilfe sehr erfolgreich - doch die Piraten haben umgedacht.

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Deutsche Marine-Soldaten eines Sicherungsteams der Fregatte "Karlsruhe" auf einem Schnellboot (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Zentren der internationalen Seepiraterie sind heute die Gewässer vor Westafrika, die Seegebiete um Indonesien und der Bereich vor der Küste von Somalia. Weil 80 Prozent des internationalen Seehandels mit Europa über den Golf von Aden läuft, war die Situation durch Piratenangriffe vor der Küste Somalias besonders dramatisch. Über die Anzahl der Toten bei den Angriffen liegen bis heute keine genauen Zahlen vor. Die finanziellen Kosten durch bewaffnete Überfälle und Lösegelderpressung bezifferte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin jedenfalls auf sieben und zwölf Milliarden Euro - pro Jahr. Doch eine Umfahrung der Seeroute ist keine Lösung. Würden die Handelsflotten den Suezkanal meiden, und wie im 17. Jahrhundert um ganz Afrika herumfahren, drohten neben erheblichen zeitlichen Verzögerungen von bis zu zwei Monaten weitere 30 Milliarden Euro an Zusatzkosten.

Alleine in den Jahren 2005 bis 2008 erhöhte sich nach Angaben des Gulf Research Centre in Dubai die Anzahl der somalischen Piraten von etwa hundert auf mehr als tausend. Rund 300 Angriffe verzeichnete das Internationale Maritime Büro auf Handelsschiffe vor der Küste Somalias in seinem Report zur Piraterie noch 2005. Seit 2008 ist die internationale Gemeinschaft mit Marineschiffen vor Ort präsent. Auch deutsche Fregatten der Bundeswehr eskortieren innerhalb der EU-Mission "Atalanta" Handelsschiffe. Seitdem geht die Anzahl der Übergriffe rapide zurück. Im Jahr 2010 wurden in der Region noch 47 Schiffe entführt. 2011 waren es noch 25. Im Jahr 2012 kaperten Seeräuber nur noch fünf Schiffe.

Pottengal Mukundan, Direktor des Internationalen Maritimen Büros (Foto: DW, Matthias von Hein)
Pottengal Mukundan, Direktor des Internationalen Maritimen BürosBild: DW

Gründe für die Wende

Als besonders hilfreich im Kampf gegen die Piraterie vor Somalia bezeichnet der Direktor des Internationalen Maritimen Büros in London, Pottengal Mukundan, neben der Marinepräsenz die Abwehrvorrichtungen und die privaten Sicherheitsdienste an Bord der Handelsschiffe. Die letztgenannten Maßnahmen der Reedereien würden auch in den anderen Zonen der Welt helfen, Piraten abzuwehren.

So sind an den Tankern und Containerschiffen die Türen der unteren Decks teilweise zugeschweißt. Spezielle Wasserschläuche an Deck erlauben die Abwehr von Piraten mit einem starken Wasserstrahl. Eingesetzt werden auch "akustische Kanonen", die hochenergetisch gebündelte Hochfrequenztöne (LRAD) aussenden. Gitter und Geländer des Oberdecks sind mit Stacheldraht umgeben oder können sogar unter Strom gesetzt werden.

Spezielle Fluchträume stehen der Besatzung auf dem Schiff zur Verfügung. Private Söldner an Bord sind bewaffnet. Eine Umfrage der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PWC) ergab, dass inzwischen 58 Prozent der deutschen Reeder private Sicherheitsdienste auf ihren Schiffen einsetzen.

Verbesserte Rechtslage für Reeder und Bundeswehr

"Wir sind international gesehen ganz weit vorne", erklärt der Bundestagsabgeordnete Torsten Staffeldt (FDP), der sich als Schifffahrtsexperte dafür einsetzte, dass der Seepiraterie mit einer klaren Rechtslage begegnet werden kann. Noch im Herbst 2012 verschaffte sich Staffeldt in Dschibuti persönlich einen Eindruck von der Situation der Piraterie. Geholfen hat nach seiner Einschätzung von Staffeldt die Ausweitung des Atalanta-Mandats im vergangenen Jahr.

Die Bundesmarine durfte innerhalb dieses Mandats nur vor der somalischen Küste mithelfen, weil die Piratenbekämpfung im Völkerrecht durch Seestreitkräfte erlaubt ist. Seit rund einem Jahr darf die Bundeswehr zusätzlich auf einem zwei Kilometer breiten Küstenstreifen Basislager der Piraten an Land in Somalia angreifen. Allerdings nur aus der Luft. Die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP stimmten für diese Befugnis, um Rückzugsmöglichkeiten der Piraten einzuschränken. Die Oppositionsparteien Grüne, SPD und Linke stimmten dagegen. Sie befürchteten, dass deutsche Soldaten in einen Landkrieg hineingezogen werden könnten und es zudem zivile Opfer unter Somalis geben würde. Scheinbar war die Sorge unbegründet, denn gefährliche Zwischenfälle hat es bisher nicht gegeben. "Wir gehen da sehr behutsam und sehr verantwortlich vor", sagt Torsten Staffeldt.

Was den Einsatz von bewaffnetem Personal privater Sicherheitsfirmen angeht, operierten die deutschen Reeder auf ihren rund 3600 Handelsschiffen lange in einer rechtlichen Grauzone. Da nur rund 450 dieser Handelsschiffe unter deutscher Flagge fahren, mussten für den überwiegenden Rest der Schiffe in bundesdeutschem Besitz auch noch Bestimmungen der Länder beachtet werden, deren Beflaggung genutzt wurde. Um wenigstens für die deutsch beflaggten Schiffe Rechtsklarheit zu schaffen, legte die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vor. Geregelt ist darin ein Zulassungsverfahren für private bewaffnete Sicherheitskräfte. Ihr Einsatz soll legal sein. Anscheinend ein Erfolgsmodell, denn bisher ist kein von privaten Sicherheitskräften geschütztes Schiff besetzt oder entführt worden.

Schnellboot der Bundesmarine (Foto: AP)
Bundesmarine im Einsatz gegen PiratenBild: dapd

Beherztes Auftreten hilft dauerhaft

Von solchen klaren Rechtsgrundlagen wie in Deutschland wünscht sich der Direktor des Internationalen Maritimen Büros in London mehr. Pottengal Mukundan fordert daher im Interview mit der Deutschen Welle weltweit eine Ausweitung der Marine-Ressourcen und klare Maßnahmen der Strafverfolgung von Seepiraterie. "Das ist die beste Abschreckung". Die Anstrengungen von Kenia, den Seychellen, Jemen und Indien lobte Mukundan ausdrücklich. Schön wäre auch, sagt Makudan, wenn im internationalen Seerecht eine fest installierte Bewaffnung nicht gleich zur Folge hätte, dass Handelsschiffe ihren Status verlören und rechtlich als Kriegsschiffe gelten würden. Vorbildlich sei das Bemühen Deutschlands um eine Zertifizierung von Sicherheitsfirmen, die auf hoher See tätig werden.

Bedenklich stimmt die Oppositionsparteien in Deutschland der Boom der privaten Sicherheitsunternehmen, die die Handelsschiffe vor Piraten zu schützen versuchen. Allein am Horn von Afrika sind 170 Sicherheitsdienstleister tätig. Das britische Unternehmen "Group4Securicor" ist zum Beispiel mit mehr als 650.000 Beschäftigten einer der Marktführer und der größte private Arbeitgeber in Europa. Fast 100.000 Kräfte beschäftigen sich in der Firma nur mit der Frachtsicherheit auf hoher See.

Trotzdem ist die Gefährdung durch Piraten nicht vollends gebannt. Die Piraten haben umgedacht, ihre Strategie umgestellt und bevorzugen jetzt die See vor Westafrika. Sie kapern Tanker mit Öl und Treibstoffen, saugen mehrere Tausend Tonnen des wertvollen Rohstoffs auf eigene Schiffe ab und lassen nach sieben bis zehn Tagen Schiff und Mannschaft wieder frei.