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Seltene Erden aus Sachsen

Elisabeth Ihme14. Januar 2014

Hightech kommt nicht ohne Seltene Erden aus. Sie sind knapp und teuer, und China hat mit seinen Vorkommen den Weltmarkt fest im Griff. Nun jedoch könnte ein sächsisches Dorf den Monopolisten die Stirn bieten.

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Eine in Peru gefundene "Mangan-Knolle" (Foto: dpa)
Seltene Erden: Mangan KnolleBild: picture-alliance/dpa

Storkwitz ist ein kleines sächsisches Dorf nördlich von Leipzig: Zwei Dutzend Häuser an einer Bundesstraße, Bauernhäuser aus Backstein, gepflegte Eigenheime. Das ehemalige Herrenhaus ist verfallen, Läden gibt es keine. Stattdessen: Ackerflächen, soweit das Auge reicht. Die schweren Geräte der Probebohrung von 2012 sind längst abgebaut. Storkwitz mutet eher an wie ein Dorf im Dornröschenschlaf - nicht wie im Goldrausch.

Doch in 200 Metern Tiefe steht ein riesiger Erz-Zapfen im Boden - mit Seltenen Erden im Milliardenwert. Wenn Manfred Wilde über den Acker blickt, scheint er schon den Bohrturm vor seinem inneren Auge zu sehen. Der 50-Jährige ist Oberbürgermeister von Delitzsch, zu dessen Verwaltung Storkwitz gehört. Wilde hofft, das Storkwitz "in Konkurrenz zu China treten wird", wie er es sagt. Steuereinnahmen könnte die Stadtkasse gut gebrauchen, und auch neue Jobs täten der Region mit zehn Prozent Arbeitslosenquote gut.

Menschen mit einer pragmatischen Ader

In einem Haus direkt am Acker wohnt Vico Gohla mit Frau und Kind. Die wertvollen Seltenen Erden als Geldanlage kennt er schon lange aus der Finanzpresse. Als er von möglichen Vorkommen in seinem verschlafenen Heimatdorf erfuhr, war er verblüfft. Nur 200 Meter neben Gohlas Haus liegt der Schatz im Boden. Vom Schlafzimmerfenster aus hat er letzten Sommer direkt auf die Bohranlage geschaut; der Geräuschpegel hat der Familie zu Schaffen gemacht. Rund um die Uhr liefen die Maschinen - ein lautes Rattern, das gerade bei ungünstigem Wind für manche schlaflose Nacht sorgte.

Bürgermeister Manfred Wilde Foto: DW / Elisabeth Ihme
Will den Chinesen Konkurrenz machen: Bürgermeister Manfred WildeBild: DW

In einem anderen Ort hätten sich vielleicht längst Bürgerinitiativen formiert. Die Storkwitzer dagegen haben eine pragmatische Ader, bei der die Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung überwiegt. Zudem war Nordsachsen in der DDR vom Braunkohle-Tagebau geprägt. Rund ein Drittel des Storkwitzer Umlands glich einer Mondlandschaft. Inzwischen sind viele Gelände renaturiert. Aber die Leute hier sehen wohl alles ein bisschen gelassener, sagt Vico Gohla. So hätten andere Regionen in Deutschland und Europa landschaftlich einfach mehr zu bieten als das flache Land rund um Storkwitz. Vielleicht würden die Menschen deshalb nicht so die Hände über ihren Boden halten, fügt er hinzu.

Zufallsfund aus DDR-Zeiten

Entdeckt wurden die Seltenen Erden in Storkwitz in den 1970er Jahren, zu DDR-Zeiten, als Zufallsfund der Wismut.  Das war eine deutsch-sowjetische Gesellschaft, die das Land im Geheimen nach Uran für die Sowjetunion absuchte. Aber damals, lange vor Smartphones oder Plasmabildschirmen, spielten die Seltenen Erden kaum eine Rolle.

Bernhard Giessel, Vorstand SES AG Foto: DW / Elisabeth Ihme
Wertvoller Zufallsfund: Bernhard Giessel, Vorstand der SES AGBild: DW

Heute will die eigens gegründete Seltenerden Storkwitz AG, SES, den Bodenschatz fördern. In einer ehemaligen Werkhalle in Chemnitz lagern die Bohrkerne. Vorstand Bernhard Giessel hält einen armlangen Kegel aus Storkwitzer Erz in der Hand. Das Seltenerd-Oxid sieht aus wie Beton. Mit einem aufwändigen Verfahren muss es aus dem Stein extrahiert werden. Eine Tonne Storkwitzer Erz ergibt gerade einmal fünf Kilo Seltene Erden. 20.000 Tonnen liegen nachgewiesen im Boden. Doppelt so viel ist nötig, damit sich der Abbau lohnt. Die SES will an die Börse gehen, um mit dem Geld der Anleger weitere Erkundungsbohrungen zu finanzieren.

Bergbau hinterlässt immer seine Spuren

Die schweren Bohranlagen werden dann wieder auf dem Pachtland von Christa Voigts Milchgut aufgebaut. Mit der Entschädigung für den Ernteausfall ist Voigt zufrieden. Der Abbau von Seltenen Erden in der Nachbarschaft kann der Region viel Positives bringen, so die Storkwitzerin. Aber in letzter Zeit hat sie einiges gehört über Säuren, die im Bergwerk zum Einsatz kommen und giftige Schlämme, die zurückbleiben. Die Landwirte machen sich Gedanken, ob ihre Kühe das in Storkwitz angebaute Futter in Zukunft noch fressen dürfen.

Alle Bilder von Elisabeth Ihme für die DW. Zulieferer: Henrik Böhme Beschreibung: Ortseingang des Dorfes Storkwitz in Sachsen
Der Fund seltener Erden in Storkwitz war einem Zufall zu verdankenBild: DW

Die Menschen in Nordsachsen wissen: Bergbau hinterlässt immer seine Spuren. Bürgermeister Wilde hofft deshalb, dass die Region direkt vom Abbau der Seltenen Erden profitiert, indem das Erz vor Ort weiterverarbeitet wird.

Unterdessen kommt in Storkwitz doch Sorge auf: Die dörfliche Idylle könnte zerstört, die Grundstücke wertlos werden. Aber trotz allem: Verhindern möchten die Storkwitzer den Abbau Seltener Erden nicht. Wenn der Bergbau im Ort eine Umgehungsstraße für Storkwitz bringt und dann vielleicht Geld da ist für Radwege, sich vielleicht sogar wieder ein Dorfladen ansiedelt, dann hat es sich gelohnt, stillzuhalten, so die Rechnung vieler Anwohner. Im Grunde denken die Storkwitzer eben doch pragmatisch.