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Machtkampf

11. September 2008

Die Serbische Radikale Partei hat sich zerstritten und steht offenbar vor der Spaltung. Anlass für die Auseinandersetzung ist die Frage der EU-Annäherung.

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Machtkampf auf Distanz: Radikaler Nikolic und Parteichef Seselj (Poster)Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

In der Serbischen Radikalen Partei ist ein offener Machtkampf ausgebrochen. Hintergrund ist die Weisung des Chefs der Serbischen Radikalen Partei (SRS), Vojislav Seselj, das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU abzulehnen. Seselj befindet sich seit 2003 in UN-Gewahrsam in Den Haag. Dort wird ihm wegen Kriegsverbrechen der Prozess gemacht. Die Radikale Partei führt er indes noch immer an.

Umstrittene Anweisung aus dem Gefängnis

Tomislav Nikolic, der bisherige stellvertretende Parteivorsitzende, hatte sich für die Ratifizierung des Abkommens mit der EU ausgesprochen. Seitdem Seselj in Den Haag sitzt, fungierte er praktisch als Parteichef. In den vergangenen Monaten hatte er sich politisch von Seselj abgesetzt und sich vor allem aufgeschlossen gegenüber der Perspektive einer EU-Integration seines Landes gezeigt. Ihm war es auch gelungen, einen großen Teil der Abgeordneten der Serbischen Radikalen Partei, die mit 78 Sitzen die stärkste Kraft im Parlament ist, davon zu überzeugen, das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU zu ratifizieren.

Doch unmittelbar vor der Parlamentsabstimmung wies Seselj aus Den Haag seine Radikalen an, gegen das SAA zu stimmen. Nikolic hatte zuvor die Zustimmung seiner Partei zu dem Abkommen angekündigt. Er äußerte sich enttäuscht vor der Presse: „Wir waren alle für das SAA. Und dann waren alle dagegen, nur weil Seselj das gesagt hat“, erklärte Nikolic. Er wiederholte, was ihm der Radikalenchef vor dessen Abreise nach Den Haag gesagt hatte: „Führ du die Partei, solange ich in Den Haag bin. Hör nicht auf mich. Meine politische Urteilskraft wird in Den Haag schwinden.“ Nikolic sagte, so sei es jetzt auch tatsächlich gekommen. Seselj verhalte sich anders, er selbst aber sei seinen Standpunkten treu geblieben.

Nikolic bildet neue Fraktion

Inzwischen hat Tomislav Nikolic mit weiteren 13 Abgeordneten der SRS eine neue Fraktion unter dem Namen „Napred Srbijo“ (Vorwärts Serbien) gebildet. Zoran Stoiljkovic von der Belgrader Politikwissenschaftlichen Fakultät meint: „Dies war eine überraschend schnelle Reaktion von Tomislav Nikolic. Er wird versuchen, die Herrschaft über einen Teil der Partei, über den bedeutenderen Teil zu gewinnen, bevor er sich auf ein Abenteuer einlässt und eine neue Partei gründet. Wer auch immer eine Partei gründet, hat keine großen Chancen, viele Wählerstimmen für sich zu gewinnen.“

Unklar ist derzeit, ob Nikolic und seine Gefolgsleute nun aus der Radikalen Partei ausgeschlossen werden können. Einen entsprechenden Antrag hat die Partei auf den Weg gebracht. Allerdings sind die Regelungen für einen Parteiausschluss umstritten. Der neu gewählte stellvertretende Vorsitzende der Radikalen Partei und Chef der Fraktion, Dragan Todorovic, sagte, die abtrünnigen Abgeordneten hätten „die SRS verraten“ und müssten mit den Folgen rechnen, sprich einem Parteiausschlussverfahren.

Radikale Partei vor Neu-Orientierung?

Offen ist auch, wie sich die jüngste Spaltung auf die Wähler der stärksten Oppositionspartei auswirken wird. Marko Blagojevic vom renommierten Belgrader Meinungsforschungsinstitut Zentrum für Freie Wahlen und Demokratie (CESID) meint: „Nach der Spaltung der Partei stellt sich die Frage, welche Richtung die Radikalen einschlagen werden. Eine Abgrenzung von dem, was Tomislav Nikolic und seine Gefolgsleute tun werden, kann sie in noch extremistischeres Fahrwasser führen.“ Wenn sie aber diesen Weg einschlügen, verlören sie die Unterstützung der meisten ihrer Wähler, mutmaßt Blagojevic.

CESID zufolge halten nur zehn Prozent der Wähler in Serbien eine auf einer stark nationalen Ideologie beruhende Politik für wichtig. Das Hauptinteresse der Mehrheit der Wähler in Serbien konzentriere sich vielmehr auf Fragen des Lebensstandards und damit verbunden des Prozesses der europäischen Integration. (md)