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Widerspruch aus Belgrad

19. Juni 2008

Serbien erkennt die neue Verfassung des Kosovo nicht an. Es sieht den neuen Staat weiterhin als seine Provinz. Belgrad denkt sogar über eigene Verwaltungsstrukturen für serbische Bürger im Kosovo nach.

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Parlament in Belgrad: Starre Fronten im Kosovo-StreitBild: DW

Noch bevor der kosovarische Präsident Fatmir Sejdiu die Verfassung unterzeichnete, hat in Belgrad der serbische Staatschef Boris Tadic klar gestellt, was er und sein Land von dem Gesetzestext halten: „Für Serbien ist das Inkrafttreten der Kosovo-Verfassung juristisch völlig irrelevant. Kosovo ist Serbiens südliche Provinz. Serbien verteidigt seine Souveränität im Kosovo weiterhin mit friedlichen und diplomatischen Mitteln, ohne Gewaltanwendung. Wir sind auch bereit, zu Verhandlungen zurückzukehren.“

Die oppositionelle nationalistische Radikale Partei verlangte unterdessen eine Dringlichkeitssitzung des Parlaments, um die neue kosovarische Verfassung für nichtig zu erklären. Serbiens Kosovo-Minister Slobodan Samardzic kündigte an, alle serbischen Gemeinden in der Provinz würden sich in knapp zwei Wochen zu einem von Pristina unabhängigen und Belgrad unterstehenden Verwaltungsbündnis zusammentun.

Kosovo als Hürde für EU-Integration Serbiens

Der Kosovo-Minister ist das Europa-skeptischste Mitglied der amtierenden Regierung, die seit der Parlamentswahl am 11. Mai keine Mehrheit mehr hat. Eine neue mehrheitsfähige Regierung in Serbien steht aber noch nicht. Allerdings spricht sich auch der – eigentlich pro-europäische Präsident Boris Tadic – für parallele serbische Institutionen im Kosovo aus. Tadic kündigte zudem an, auch die neue Regierung, die voraussichtlich von seiner Partei angeführt wird, werde die Abspaltung ihrer Provinz nie anerkennen. Gleichzeitig allerdings strebt der serbische Präsident die Bildung eines Kabinetts an, das Belgrad den Status eines EU-Beitrittskandidaten sichert.

Verhandlungen mit der EU sind zwar aufgenommen worden, liegen aber wegen mangelnder Zusammenarbeit Serbiens mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal auf Eis. Der Belgrader Völkerrechtler Vojin Dimitrijevic rechnet damit, dass das Thema Kosovo für die EU künftig wichtiger werden könnte: „Das nächste Angebot aus der Europäischen Union an Serbien wird leider ganz klar nur für ein Serbien ohne Kosovo gelten. Im Moment ist es noch eine Auslegungssache.“

Einflussreiche europäische Außenpolitiker sind der Ansicht, Serbien könne das Ziel einer EU-Mitgliedschaft nur erreichen, wenn es nicht mehr an Kosovo festhalte. Die USA betonen, die Unabhängigkeit der Provinz könne nicht rückgängig gemacht werden, neue Verhandlungen darüber gebe es nicht.

Regierungsbildung vorrangig

Der pro-europäische Vizepremier in der amtierenden serbischen Regierung, Bozidar Djelic, sieht dennoch keinen Widerspruch zwischen EU-Mitgliedschaft und Ablehnung der kosovarischen Unabhängigkeit: „Wir wollen, dass Kosovo unser ist – ohne Waffen, in Frieden – weil das unser Recht ist.“ Allerdings wolle Serbien auch schnell zu Europa gehören. Dies ist Djelic zufolge in vier bis sechs Jahren zu schaffen. „Wenn wir die neue Regierung gebildet haben, werden wir volle diplomatische Beziehungen mit Deutschland aufnehmen. Einer der ersten Staaten, die wir besuchen werden, wird Deutschland sein“, betonte Djelic.

Trotz aller Proteste gegen die kosovarische Verfassung: Ganz oben auf der politischen Agenda in Serbien steht weiter die Bildung einer neuen Regierung. Damit wird bis Ende des Monats gerechnet.

Filip Slavkovic