Exportgut: Widerstand
18. Februar 2011Serbien hat ein ungewöhnliches Exportgut: den zivilen Widerstand. Exemplarisch dafür steht die Jugendbewegung "Otpor", was auf Deutsch Widerstand heißt. Mit ihren gewaltlosen Aktionen hat "Otpor" in Serbien vor elf Jahren maßgeblich zum Sturz des Regimes von Slobodan Milosevic beigetragen. Die Jugendbewegung hat sich inzwischen aufgelöst. Geblieben sind die Erfahrungen der einstigen Aktivisten, die sie gerne weitergeben. Sie haben 2003 die Aktivisten der so genannten Rosen-Revolution in Georgien beraten und die der so genannten Orange Revolution in der Ukraine. Das serbische Beispiel hat ehemaligen "Otpor"-Aktivisten zufolge auch im Nahen Osten und in Nordafrika Schule gemacht.
Werkzeug für den Wandel
Die jüngsten Proteste in der arabischen Welt seien sicherlich ein Weltphänomen, sagt Srdja Popovic, Leiter der Nicht-Regierungsorganisation "Zentrum für gewaltfreie Aktionen". Popovic war früher Mitglied der serbischen Jugendbewegung "Otpor". Seine Erfahrungen als Aktivist hat er in die Arbeit der NGO einfließen lassen. "Wir haben bislang Menschen aus 37 Ländern getroffen, darunter auch Aktivisten aus dem arabischen Raum", sagt Popovic.
Die Organisation erteile keine konkreten Ratschläge. "Wir geben den Leuten das Werkzeug, damit sie sich organisieren. Wir geben ihnen Beispiele, wie das andere gemacht haben, und dann führen sie ihren eigenen Kampf." Die NGO gehe aus gutem Grund so vor, erklärt Popovic, denn "wenn die Menschen Erfolg haben wollen im gewaltfreien Widerstand, sollten sie keinesfalls auf Ausländer hören. Das heißt, zu allererst müssen sie vermeiden, dass ihnen Ausländer sagen, was sie in ihrem eigenen Land machen sollen." Diese Lektion hätten die Ägypter sehr gut verstanden, "und sie haben auf eine sehr eigene und authentische Art die Proteste in ihrem Land organisiert".
"Revolution für Anfänger"
"Otpor" habe als Idee und Symbol viele Menschen auf der ganzen Welt inspiriert, sagt Popovic, insbesondere nach den Erfolgen des Films "Der Sturz des Dikators" und des Buches "Gewaltfreier Kampf in 50 Punkten". Den Dokumentarfilm über die serbische Revolution haben weltweit viele Aktivisten gesehen, übersetzt wurde er in 17 Sprachen. Das Buch hat den Beinamen "Revolution für Anfänger" bekommen. Nachdem es 2009 auch auf Arabisch und Farsi übersetzt wurde, ist es zehntausendfach aus dem Internet heruntergeladen worden. Sowohl im Film als auch im Buch kämen die Grundlagen der Vorgehensweise von "Otpor" vor, die auch in Ägypten angewendet worden seien, meint Popovic: "Was mir am meisten gefällt, ist, dass bei ihnen gewaltfreie Disziplin herrschte. Ich glaube, dass es den Ägyptern damit gelungen ist, äußerst hässliche Provokationen abzuwenden." Darunter falle der Versuch der Polizei, die Kundgebungen zu zerschlagen. Dann der Versuch der Polizei durch ihren Rückzug, Chaos auf den Straßen zu verursachen. "Darauf haben die Demonstranten sehr klug mit dem Einsatz von Wachleuten reagiert."
Der praktisch problemlose Umgang mit dem Militär, als einem der wichtigsten Pfeiler dieses Regimes, habe sehr viel zu Mubaraks Rücktritt beigetragen, glaubt Popovic. "Ich denke, die Ägypter haben auf ausgezeichnete Weise die Welt inspiriert und gezeigt, dass es in diesen arabischen Ländern ein enormes Widerstandspotenzial gibt. Und nach dem, was wir im Augenblick auch in anderen Ländern sehen, kann dies eine globale, eine pan-arabische Bewegung werden", sagt der ehemalige "Otpor"-Aktivist.
Nachahmung erwünscht
Sowohl das Buch als auch der Film seien wunderbare Beispiele dafür, dass alles von einer kleinen Gruppe junger Leute ausgehen könne, sagt er weiter. Eben dieser Hintergrund habe aus "Otpor" eine internationale Exportmarke gemacht. "Man braucht keine großen Parteien, nicht viel Geld und keine großartige Strategie. Sie brauchen nur einige Leute, eine gute Idee und hartnäckige Arbeit von der Basis bis zur Spitze. Erfolg ist das beste Erfolgsrezept", erläutert Popovic. Er ist überzeugt, "wenn dann auch die jungen Leute im Iran sehen, wie es ihre Altersgenossen in Ägypten angefangen haben und ihr Recht durchgefochten haben, der Freiheit entgegen zu gehen, ist es nicht verwunderlich, dass auch sie das Gleiche versuchen."
Srdjan Milivojevic ist wie viele seiner Weggefährten aus "Otpor" nach der demokratischen Wende in Serbien in die Politik gegangen. Heute ist er Abgeordneter der regierenden Demokratischen Partei. Dass "Otpor" noch heute viele Menschen weltweit beeinflusst, verwundert ihn nicht. "Ich bin absolut davon überzeugt, dass die Idee von 'Otpor' im Sinne eines gewaltfreien Kampfes gegen die Diktatur und für den Wandel in einem nichtdemokratischen Regime alle Menschen auf der ganzen Welt mitreißen wird, die nach Freiheit dürsten."
Autoren: Ivica Petrovic / Mirjana Dikic
Redaktion: Julia Kuckelkorn