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20 Jahre Protestkultur

10. März 2011

Am 09.03.1991 fanden in Belgrad die ersten Massenproteste gegen den damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic statt. Sie wurden blutig niedergeschlagen, gelten aber als Geburtsstunde der Protestkultur.

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Oppositionsführer Vuk Draskovic (Foto: dpa)
Oppositionsführer Vuk DraskovicBild: picture alliance/dpa

Mit der Demonstration unter dem Motto "Kundgebung gegen den roten Stern" zeigten die versammelten Belgrader, dass Milosevic schon vor dem Zerfall Jugoslawiens doch nicht der unangefochtene Serben-Führer war, als der er sich gerne präsentierte. Die Opposition bestand vor zwanzig Jahren aus einem Sammelsurium von Anti-Kommunisten, Nationalisten, Royalisten aber auch zivilgesellschaftlich-bürgerlich orientierten Oppositionellen.

Erstmals bewieß die Opposition damals, dass sie Druck auf die Regierung ausüben und Forderungen stellen konnte. Der damals nationalistisch orientierte Oppositionsführer Vuk Draskovic, der im vorangegangenen Dezember in den ersten freien Wahlen unterlegen war, sagte der Menge vom Balkon des Volkstheaters im Herzen von Belgrad: "Wir demonstrieren nicht gegen die Regierungsorgane, gegen Wahlergebnisse oder gegen eine staatliche oder militärische Institution. Wir wollen nur die Entlassung von vier Redakteuren und einem Journalisten des Belgrader Fernsehens," einem Sprachrohr des Regimes.

Den Unmut der Opposition hatten sich die Journalisten zugezogen, weil sie Draskovics Serbische Erneuerungsbewegung als "verlängerten Arm der kroatischen Ustascha-Bewegung" bezeichnet hatten. Diese verstand sich indes als Demokratiebewegung und wies die Gleichstellung mit einer rechtsextremen Bewegung wie die der kroatischen Ustascha weit von sich.

"Staatsmacht erschüttert"

Oppositionsführer Vuk Draskovic gestikulierend (Foto: AP)
Anti-Milosevic-Veteran Draskovic erinnert sichBild: AP

Offensichtlich war der Streit um die Fernsehberichterstattung aber nur der Vorwand für die Opposition, eine Protestveranstaltung abzuhalten. Die in Belgrad versammelten Massen wollten nämlich mehr als Draskovic anfangs forderte. Die Demonstranten forderten in ihrer Kundgebung erstmals grundlegende Veränderungen und ein Ende des Milosevic-Regimes.

Heute erinnert sich der damalige Oppositionsführer an diesen Tag: "Das war ein einzigartiger Tag in der Geschichte Belgrads, als 100.000 Demonstranten mit bloßen Händen die bewaffnete Staatsmacht von Slobodan Milosevic und seinen Verbündeten im ehemaligen Jugoslawien erschüttern konnten."

Alle oppositionellen Kräfte versammelten sich damals um die Serbische Erneuerungsbewegung und zeigten sich solidarisch. Als die Polizei eingesetzt wurde, eskalierte die Gewalt zwischen Regimegegnern und Ordnungskräften. Die Demonstranten wurden mit brutaler Polizeigewalt auseinandergetrieben. Zahlreiche Regimegegner wurden festgenommen, darunter auch Vuk Draskovic. Etwa 200 Menschen wurden verletzt und zwei getötet.

Angst vor Umsturz

Den Demonstranten schlossen sich dann auch die Studenten an und forderten die Freilassung Draskovics und den Rücktritt des ihrer Meinung nach für die Eskalation verantwortlichen Innenministers. Die Regierung gab schließlich nach und entließ den Leiter des Belgrader Fernsehens sowie den Innenminister der damaligen jugoslawischen Republik Serbien.

Ungeachtet dessen schlug die Jugoslawische Volksarmee den Aufstand mit Panzern nieder. Nach Einschätzung von Vuk Draskovic habe das Regime zu diesem drastischen Mittel aus Angst vor einem Umsturz gegriffen. "Diese unglückselige Jugoslawische Volksarmee hat sich als einer der Hauptschuldigen für das Übel erwiesen. Sie hat sich nicht als Armee erwiesen, die den Staat verteidigt, sondern als eine Armee, die eine Ideologie verteidigt", erinnert sich Draskovic.

Zeichen der Hoffnung

Auch wenn das Aufbegehren des Volkes damit gescheitert war, wurde allein die Tatsache, dass die Serben gegen den repressiven Staatsapparat von Slobodan Milosevic aufgestanden waren als historisches Ereignis über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Der Autor Misha Glenny berichtete damals für die BBC über die Ereignisse. Er erlebte den 9. März als einen Tag der Hoffnung.

Ein Teil der serbischen Gesellschaft habe deutlich gemacht, dass er weder zu den Kriegstreibern noch zu den Nationalisten gehöre. "Sie zeigten, dass sie rational sind, dass sie eine demokratische Entwicklung in Serbien wollten. Die von Milosevic und seinen Sozialisten aufgestülpten nationalistischen Phantasien wollte sie keinesfalls mit tragen", meint Glenny.

Der Anfang vom Ende

Demonstranten vor dem jugoslawischen Parlament in Belgrad am 5. Oktober 2000 (Foto: AP)
Proteste bis zum Rücktritt MilosevicsBild: AP

Die Proteste im März 1991 waren die ersten Proteste gegen Milosevic und sein Regime. Sie fanden noch vor dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawien und den darauffolgenden Kriegen statt. Serbische Kommentatoren stellen sie heute gerne als Auftakt für die in den 1990er Jahren vorwiegend in Belgrad von den demokratischen Kräften in Serbien organisierten friedlichen Protestmärsche dar.

Allerdings merken andere Beobachter auch an, dass einige der Protagonisten dieser ersten Protestbewegung sich im Laufe des Zerfalls Jugoslawiens den nationalistischen Kriegstreibern angeschlossen haben. Nicht zuletzt übernahm sogar Draskovic selbst unter Milosevic, beeindruckt vom Kosovo-Krieg, 1999 Regierungsverantwortung als stellvertretender Premier.

Erst zum Ende des Milosevic-Regimes entstand eine neue bürgerlich orientierte Protestbewegung, die dann auch auf andere Städte in Serbien übergriff. Ihren Höhepunkt fanden die friedlichen Protestmärsche, denen Draskovic anfangs distanziert gegenüber stand, nach den Wahlen 2000. Am 05.10.2000 machten sich massenweise Menschen aus ganz Serbien auf den Weg nach Belgrad, wo sie die Anerkennung des Wahlsiegs der Demokraten verlangten und Milosevic zum Rücktritt zwangen.

Autoren: Ognjen Cvijanovic / Mirjana Dikic

Redaktion: Fabian Schmidt