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„Serbische Politiker brauchen jetzt Mut zum Risiko“

8. Februar 2007

Im Interview mit DW-RADIO spricht Politologe Heinz-Jürgen Axt vom Lehrstuhl für Europäische Integration der Universität Duisburg über notwendige Einsichten in Serbien und eine mögliche EU-Annäherung des Kosovo.

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Interview mit DW-RADIOBild: DW

DW-RADIO/Albanisch: Herr Axt, die EU-Troika hat sich gestern bemüht der serbischen Führung eine europäische Integrationsperspektive zu eröffnen, aber gleichzeitig nahegelegt, dass Serbien eine Lösung für das Kosovo auf Grundlage des Ahtisaari-Vorschlags akzeptieren muss. Premierminister Kostunica lehnt den Vorschlag jedoch grundlegend ab und auch Präsident Tadic wird es schwer haben die Souveränität des Kosovo zu akzeptieren. Kann es hier überhaupt einen Kompromiss geben?

Heinz-Jürgen Axt: „Das wird sicherlich für die serbische Seite sehr schwer sein. Es ist kein Wunder, dass die Europäische Union versucht, Serbien ein Angebot zu machen. Das ist in dieser Situation sicherlich eine vernünftige Lösung, eine nachvollziehbare Lösung, aber auf der anderen Seite muss man realistisch sein.

Es gibt zwei große Hinderungsgründe, die man offen ansprechen muss. Das eine ist, dass solange keine stabile Regierung in Serbien besteht, es für jede serbische Regierung sehr, sehr schwer werden wird, den Ahtisaari-Plan zu akzeptieren, weil die politischen Kosten einfach zu hoch sind. Und das andere ist, man muss auch realistisch heute sagen, dass die Erweiterungsperspektive, wenn auch mittel- oder längerfristig die Europäische Union ausspricht, immer mit dem Diktum belegt ist, dass wir in Zeiten der Erweiterungsmüdigkeit stehen und dass auch in Südosteuropa wahrgenommen wird, dass man so leicht die Tore der europäischen Union nicht öffnen wird."

Kann sich Serbien überhaupt noch für eine europäische Perspektive entscheiden?

„Ich denke, was sich in Serbien verankern muss, auch in den Köpfen der Menschen, ist die Tatsache, dass Serbien schon jetzt keine Kontrolle mehr über das Kosovo ausübt. Und das wird auch in Zukunft nicht der Fall sein. Ich denke, Serbien hat eine gute Karte in der Hand, wenn es sagt, wir müssen dafür sorgen, dass die serbische Population im Kosovo geschützt wird. Aber Serbien muss erkennen, dass de facto das Kosovo kein Teil mehr des von ihm kontrollierten Staatsgebietes ist. Und dass dort andere Regelungen greifen als die Illusion, dass man Kosovo wieder zurück in das von der serbischen Regierung in Belgrad kontrollierte Territorium holen kann.

Aber zunächst einmal dieser Realismus muss in Belgrad Platz greifen. Im Prinzip müssten die politischen Führer den Mut haben, das auch der Bevölkerung offen zu sagen. Nur das erkenne ich derzeit nicht, dass dieser Mut besteht, auch dieses Risiko auf Seiten der Politiker einzugehen."

Nehmen wir an, die Ahtisaari-Vorschläge passieren den Sicherheitsrat und der Prozess schreitet voran - mit oder ohne Beteiligung von Belgrad. Bietet sich dann auch irgendwann für den Kosovo eine europäische Integrationsperspektive?

„Das wird sicherlich ein schwieriges Unterfangen sein. Mit dem Ahtisaari-Bericht wird dem Kosovo das Recht eingeräumt, internationalen Organisationen beizutreten. Ob das auch bedeutet, dass das eine Annäherung an die Europäische Union impliziert, ist meiner Kenntnis nach im Ahtisaari-Bericht nicht explizit erläutert. Es gibt auch dazu keine Diskussionen unter den maßgeblichen Politikern der Europäischen Union, jedenfalls kenne ich diese nicht.

Aber wenn die Formel lautet 'Weniger als Unabhängigkeit, aber mehr als Autonomie', dann wird sicherlich in längerer Zukunft auch, die Perspektive darin bestehen, dass das Kosovo nicht ausgespart werden kann, wenn Mazedonien, wenn Kroatien, wenn längerfristig auch Serbien die EU-Perspektive erhalten und sich an die Europäische Union annähern. Dann muss auch für das Kosovo eine verträgliche Lösung gefunden werden. Kosovo kann nicht der letzte weiße Fleck im westlichen Balkan bleiben, der nicht an die Europäische Union herangeführt wird."

Das Interview führte Fabian Schmidt

DW-RADIO/Albanisch, 8.2.2007, Fokus Ost-Südost