Serbisches Helsinki-Komitee: Rasche Lösung der Kosovo-Frage notwendig
22. September 2005Die serbische Gesellschaft sei immer noch nicht in der Lage, eine selbstkritische Bilanz der Ereignisse in den letzten zehn Jahren in Ex-Jugoslawien zu ziehen. Das sagt Sonja Biserko, die Vorsitzende des Helsinki-Komitees für Menschenrechte in Serbien. Im Interview mit DW-RADIO erklärt sie, in ihrem Land sei weiterhin die Meinung weit verbreitet, dass die Serben die größten Opfer seien. Die Tatsache, dass auch andere Bevölkerungsgruppen gelitten haben, werde nicht wahrgenommen.
Serbien isoliert sich
Sonja Biserko verweist in diesem Zusammenhang auf die Kosovo-Frage: „Wir stehen kurz vor einem Dialogbeginn und jetzt wird wieder nicht wahrgenommen, dass auch die Albaner Opfer der Repression von Milosevics Regime waren und dass sie all die Jahrhunderte zusammen mit den Serben hier gelebt haben. Die Serben, so kommt es mir vor, isolieren sich immer mehr und das steht in einem Gegensatz zu den Möglichkeiten, die ihnen die internationale Gemeinschaft bietet. Serbien wird viel angeboten bezüglich der Annährung an die EU. Das ist eine Art Belohnung für die Lösung des Kosovo-Status in Form von einer Art Unabhängigkeit. Die serbische Elite distanziert sich aber von alldem. Der serbische Präsident Boris Tadic sagt, Kosovo könne nicht kompensiert werden, selbst wenn Serbien eine Mitgliedschaft in der EU angeboten werde.“
Auf die Frage, wie viele Jahre noch vergehen müssen, damit Kriegsverbrechen und die Existenz von Massengräbern in Serbien anerkannt würden, sagt Sonja Biserko: „Dieser Prozess wird sicher lange dauern und mit vielen Attacken aus dem Block der Patrioten belastet sein.“ Aber es sei alles dokumentiert worden, das Haager Tribunal habe all diese Verbrechen und Völkermord nachgewiesen.
Gefahr der Radikalisierung
Die Vorsitzende des Helsinki-Komitees in Serbien meint, unmittelbar nach den NATO-Luftangriffen sei eine Chance verpasst worden, die Statusfrage des Kosovo sofort zu lösen. Nun müsse das Problem rasch angegangen werden, denn eine weitere Verschiebung dieser Frage könne zu einer Radikalisierung beider Seiten führen. Doch wie kann die Lösung der Kosovo-Frage aussehen? Sonja Biserko:
„Die internationale Gemeinschaft ist inzwischen aufgrund der Erfahrung in Bosnien zu dem Schluss gekommen, dass jede Teilung nach dem ethnischen Prinzip nicht effektiv, sehr teuer und langfristig nicht produktiv ist. Deshalb hat die internationale Kosovo-Kontaktgruppe im April klar gesagt, dass sie gegen eine Teilung, gegen eine Rückkehr zum Vorkriegsstatus, also eine beschränkte Autonomie innerhalb Serbiens und gegen eine Vereinigung Kosovos mit Nachbarstaaten sei. Das ist ungefähr der Rahmen in dem Kosovo Status geklärt wird."
Zulfija Jakupi, Pristina
DW-RADIO/Serbisch, 21.9.2005, Fokus Ost-Südost