Sharifs Rückkehr als Wahlkampf-Coup
13. Juli 2018Vergangene Woche hatte der wegen Korruption im Zusammenhang mit den Panama-Papers abgesetzte und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilte Ex-Premier Nawaz Sharif überraschend seine Rückkehr aus London nach Pakistan angekündigt. Ebenso wie seine Tochter Maryam (Artikelfoto), die zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Seit Sharifs Ankündigung sind Hunderte Aktivisten seiner Partei PML-N in der Provinz Punjab verhaftet worden. Zufahrtsstraßen zum Flughafen Lahore wurden gesperrt, damit seine Anhänger ihm am Flughafen keinen Empfang bereiten können. Ebenso wurden Internet- und Mobilfunkverbindungen unterbrochen.
Beobachter sehen diese Maßnahmen im Zusammenhang mit der Tatsache, dass erstmals in der Geschichte Pakistans ein populärer Politiker aus der bevölkerungsreichsten und wichtigsten pakistanischen Provinz Punjab offen die Militärführung herausfordert. Die Generäle haben ihrerseits traditionell ihre stärkste politische und wirtschaftliche Machtbasis in Punjab, dem "Fünf-Strom-Land" im Nordosten an der Grenze zu Indien.
Sharif stellt Machtmonopol des Militärs in Frage
Nawaz Sharif hatte dreimal das Amt des Ministerpräsidenten inne, aber keine Amtsperiode regulär beendet. Sein Aufstieg begann als Schützling des früheren Militärdiktators Zia ul-Haq in den 80er Jahren. In den vergangenen Jahren ist er zunehmend auf Distanz zum Militär gegangen, indem er zum Beispiel für freundschaftliche Beziehungen mit Indien eintrat und eine Änderung der Afghanistan-Politik Pakistans befürwortete. Beides Positionen, die den Vorstellungen der Generäle zuwiderlaufen.
"Sollte Sharif bei seiner Ankunft verhaftet werden, dürfte ihm das Sympathiepunkte der Wähler einbringen", sagt der politische Beobachter Abdullah Dayo gegenüber der DW. Denn Sharif habe sich recht überzeugend als Vorkämpfer des Primats der Zivilregierung präsentiert. Und tatsächlich befindet sich das Land nach Ansicht vieler Beobachter an der Wegscheide zwischen eben dem Vorrang der zivilen Regierung einerseits und der anhaltenden indirekten Kontrolle praktisch aller nationalen Angelegenheiten durch das Militär andererseits. Es geht auch um das politische Überleben der Partei Sharifs. Hätte er sich nicht zur Rückkehr nach Pakistan und dem Antritt seiner Haftstrafe gestellt, wäre dies das Aus für die PML-N bei den Wahlen am 25. Juli gewesen.
Urteil gegen Sharif als "Strafe" des Militärs?
Die Verurteilung Sharifs durch ein Anti-Korruptionstribunal wird von seinen Anhängern, aber auch von manchen unabhängigen Beobachtern als eine Straf-Maßnahme des Militärs gesehen. "Es war klar, dass sie Sharif für sein Eintreten für demokratische Rechte und zivile Oberhoheit bestrafen würden", sagt der Sharif-Vertraute und frühere Schiffahrtsminister Mir Hasil Bizenjo gegenüber der DW. "Aber Sharif hat sich entschieden, im Interesse der Demokratie und der Zukunft Pakistans dem militärischen Establishment die Stirn zu bieten", meint Bizenjo. Und der politische Beobachter Tauseef Ahmed Kahn ist klar, dass die Anti-Korruptionstribunale selektiv Verstöße ahnden: "Bislang ist noch kein General wegen Korruption in Pakistan verurteilt worden."
Naturgemäß sieht die oppositionelle "Bewegung für Gerechtigkeit" (PTI) des Populisten Imran Khan das anders: Für Khan ist das Urteil des Gerichts eine Bestätigung seiner jahrelangen Anti-Korruptionskampagne, auf welcher der Ex-Cricket-Star seine politische Karriere aufgebaut hat. "Khans Position in Bezug auf Korruption und Vetternwirtschaft in der pakistanischen Politik wird von der Bevölkerung bejaht, die genug von der herrschenden Elite hat", meint der PTI-Aktivist Khawar Sohail aus Islamabad. Gegen Khan würden keine Korruptionsvorwürfe erhoben, und er habe keine Auslandsvermögen, fügt der PTI-Anhänger hinzu.
Imran Khan rechnet sich Chancen aus
Die Familien Bhutto und Sharif sind in der Tat für viele Pakistaner ein Synonym für Bereicherung und schlechte Regierungsführung während der vergangenen drei Jahrzehnte. Diese Leute halten es für absolut notwendig, dass die Führung von Pakistanischer Volkspartei (PPP) der Bhuttos und Sharifs PML-N zur Verantwortung gezogen werden, damit eine neue Ära des Aufschwungs in Pakistan ("New Pakistan") beginnen kann. Aus dieser Stimmung speist sich die Zustimmung zu Khan.
Die Kritik an Imran Khan, dass er vom Militär und militärischen Geheimdienst ISI unterstützt werde und sich verständnisvoll gegenüber militanten Extremisten gebe, fällt dagegen nicht so sehr ins Gewicht. Das gilt auch für seine Positionen zu Pakistans Sicherheits- und Afghanistan-Politik, mit denen er als Regierungschef nicht zuletzt die Beziehungen zu den USA weiter belasten würde.
Nachdem Khan 2013 gegen Sharifs PML-N den Kürzeren gezogen hat, rechnen sich seine Anhänger bei den Parlamentswahlen Ende Juli reelle Chancen aus, dass ihr Idol es diesmal schaffen könnte. Allerdings ist der Urnengang schon jetzt durch Beschwerden über Unregelmäßigkeiten bei der Wahlvorbereitung und durch die Verhaftungen von Sharif-Anhängern überschattet. Und es besteht die Gefahr, dass eine Verhaftung Sharifs noch auf dem Flughafen zu Unruhen und möglicherweise Gewaltausbrüchen in Pakistan führt, die einen Neuanfang zusätzlich erschweren würden.