Shell entschädigt Ölpest-Opfer
7. Januar 2015Der Shell-Konzern zahlt umgerechnet 70 Millionen Euro Schadenersatz für zwei Ölkatastrophen in Nigeria. Darauf verständigte sich das nigerianische Tochterunternehmen des Konzerns mit der betroffenen Kommune Bodo im Nigerdelta. Es ist der bislang höchste außergerichtliche Vergleich, der wegen einer Ölpest in Nigeria je ausgehandelt wurde.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte die betroffenen Nigerianer - vor allem Fischer und Bauern - bei einer Klage gegen Shell vor einem britischen Gericht unterstützt. Es war das erste Mal, dass Shell sich in einem Verfahren vor einem britischen Gericht für seine Rolle bei der Verschmutzung des Niger-Deltas verantworten musste. Bei den Verhandlungen zum außergerichtlichen Vergleich hatte der Öl-Multi zunächst umgerechnet 38 Millionen Euro angeboten, die Geschädigten forderten mindestens das Zehnfache.
Der außergerichtliche Vergleich sieht vor, dass Shell 25,6 Millionen Euro an die betroffene Kommune Bodo zahlt. Weitere 15.600 betroffene Bewohner erhalten je 2.870 Euro von dem Konzern.
Betroffene fühlen sich endlich ernst genommen
"Es ist wirklich gut, dass Shell dieses Angebot angenommen hat", sagt Dick Saru Nowiko aus Bodo im Gespräch mit der DW. "Endlich erfährt die Welt, dass der Protest der Bewohner im Ogoni-Land nicht zum Spaß war oder weil es in ihrer Natur liegt, sondern weil Shell uns Schaden zugefügt hat." Wie viele andere Einwohner fragt er sich nun, ob Shell die Verantwortung auch für weitere Lecks in dem Gebiet übernehmen wird. Auch Bemene Tanene aus Bodos Nachbargemeinde Gokana begrüßt den geschlossenen Vergleich: "Wenn multinationale Konzerne zu ihrer Verantwortung stehen, ist das gut für die Leute." Ihm ist es ebenfalls wichtig, dass die Glaubwürdigkeit der Bewohner und ihres erlittenen Schadens jetzt nicht mehr angezweifelt werden kann.
"Der Vergleich ist ein lang erwarteter Sieg für tausende Menschen, die durch die Ölpest ihre Lebensgrundlage verloren haben", sagt auch Amnesty-Direktorin Audrey Gaughran. Zugleich kritisierte Gaughran den Konzern dafür, dass er sechs Jahre mit der Einigung gewartet habe. Lange Zeit habe Shell die Menge des ausgelaufenen Öls um ein Vielfaches heruntergespielt. Nach Angaben von Amnesty seien unabhängigen Schätzungen zufolge mindestens 100.000 Fass allein aus dem einem Leck ausgelaufen. Shell dagegen hatte lange Zeit von 4000 Fass Öl für beide Löcher gemeinsam gesprochen.
Wasser und Böden verseucht
Nach Angaben von Amnesty war Shell schon Jahre vor dem ersten Bruch einer Pipeline nahe der Stadt Bodo im August 2008 bekannt, dass die alten Rohre eine große Gefahr darstellten. Im Dezember 2008 habe es dann ein zweites Leck gegeben.
"Shell war bewusst, dass eine solche Katastrophe täglich wahrscheinlicher wurde, und hat nichts dagegen unternommen", kritisiert Gaughran. Dem Konzern wirft sie vor, gegen ähnliche Katastrophen in der Zukunft nicht vorzusorgen. Andere Pipelines gleichen Alters im Nigerdelta würden von Shell bis heute genutzt und gefährdeten Tausende Bewohner. Dass sich Shell dessen bewusst ist, belegt Amnesty zufolge eine interne Email von 2009, die der Ölmulti auf Anordnung des britischen Gerichts herausgeben musste. "Die Leitungen in Ogoniland sind seit 15 Jahren nicht ordentlich gewartet oder auf Unversehrtheit überprüft worden", zitiert Amnesty aus der Mail.
Dass solche Dokumente nun ans Tageslicht gekommen seien, sei ein großer Erfolg, sagt Joe Westby im Gespräch mit der DW. Er betreut bei Amnesty Kampagnen zur Verantwortung von Unternehmen. "Jetzt, wo klar ist, dass Shell falsche Angaben zu den Lecks in Bodo gemacht hat und wir diese außergerichtliche Einigung haben, ist die Hoffnung groß, dass auch andere Gemeinden zu ihrem Recht kommen", so Westby. Trotzdem müsse man realistisch bleiben, nicht jedes Dorf werde seine Klage vor ein britisches Gericht bringen können.
Der britisch-niederländische Ölkonzern Shell steht seit Jahren in der Kritik, wesentliche Verantwortung für die Verschmutzung im Niger-Delta zu tragen. "Shell ist seit Jahrzehnten im Niger-Delta aktiv und konnte sich mangelhafte Betriebsstandards leisten - meist straffrei, weil die nigerianischen Behörden nicht in der Lage sind, die Unternehmen haftbar zu machen", sagt Westby.
Shell macht Öl-Diebe verantwortlich
Shell selbst war auf DW-Anfrage nicht zu einem Interview bereit und verwies auf eine schriftliche Stellungnahme zum außergerichtlichen Vergleich. Darin spricht das Unternehmen von "höchst bedauerlichen betriebsbedingten Lecks" und kündigt Säuberungsmaßnahmen an. Gleichzeitig schiebt es eine größere Verantwortung von sich: "Die wahre Tragödie und die Hauptursache für die Umweltverschmutzung im Niger-Delta resultiert aus dem Übel des Öldiebstahls und des illegales Raffinierens. Solange dagegen nicht vorgegangen wird, werden die von Ölverschmutzung gereinigten Gebiete ganz einfach wieder durch diese illegalen Aktivitäten verschmutzt." Trotzdem wolle Shell "weiterhin eine aktive Rolle bei der Suche nach Lösungen spielen".
Der außergerichtliche Vergleich sieht vor, dass Shell 25,6 Millionen Euro an die betroffene Kommune Bodo zahlt. Weitere 15.600 betroffene Bewohner erhalten je 2.870 Euro von dem Konzern. Anwälte der betroffenen Bauern und Fischer aus dem Ort Bodo, dessen Umgebung nach den Ölkatastrophen schwer verseucht ist, bezeichneten es als "zutiefst enttäuschend", dass der Konzern das Ausmaß des Schadens so lange nicht anerkannt habe.