Sieg für Nigerias Demokratie
31. März 2015"Herzlichen Glückwunsch, Nigeria!", möchte man sagen. Nicht weil es mit Muhammadu Buhari nun eine besonders glückliche Wahl getroffen hat, sondern weil es in dem Land erstmals seit der Rückkehr zur Demokratie zu einem Machtwechsel kommt. Bis vor kurzem hatten nicht nur die meisten Nigerianer geglaubt, dass die übermächtige Regierungspartei PDP ohnehin jede Wahl für sich entscheiden könne - sei es durch den realen Zuspruch in der Wählerschaft, sei es mittels Einschüchterungen und Manipulationen. Die letzten nigerianischen Präsidentenwahlen waren deshalb ungefähr so spannend wie die Frage, wer deutscher Fußballmeister wird. Wenn der Machtwechsel nun noch einigermaßen friedlich verläuft, dann kann man sagen, dass die Demokratie in Nigeria einen riesigen Schritt nach vorne gemacht hat.
Warum war dieses Mal alles anders? Es begann damit, dass sich die wichtigsten Oppositionsparteien zu einem Bündnis zusammenfanden. Und dann war dieses Bündnis auch noch in der Lage, sich in einem ungewöhnlich transparenten und demokratischen Prozess auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. Buhari konnte so erstmals über seine Kernwählerschaft - die Muslime im Norden des Landes - hinaus größere Wählermassen auf seine Seite ziehen. Dies gilt vor allem für den bevölkerungsreichen Südwesten des Landes mit der Wirtschaftsmetropole Lagos.
Glückloser Goodluck Jonathan
Großer Respekt gebührt dem abgewählten Präsidenten Goodluck Jonathan, der schnell und eindeutig seine Niederlage akzeptiert hat. Das ist weder in Nigeria noch in Afrika insgesamt eine Selbstverständlichkeit. Hut ab! Dabei war Jonathan selbst einer der wichtigsten Wahlhelfer Buharis. Zu den Menschen im Norden des Landes hat er nie einen Zugang gefunden. Deutlichster Beweis dafür ist sein Desinteresse am Terror von Boko Haram. Dem Kampf gegen den Terror widmete er sich erst ernsthaft, als jener seinen sicher geglaubten Wahlsieg bedrohte. Mit seinem Jahre langen Versagen in der Terrorfrage trieb er auch viele Christen in die Arme Buharis. Viele der Dörfer, die von der Terrorsekte erobert worden waren, sind von Christen bewohnt. Die allermeisten der vor einem Jahr in dem Ort Chibok entführten Mädchen sind Christinnen.
Viele Christen im Nordosten des Landes und in den zentralen Regionen, wo muslimische und christliche Siedlungsgebiete aufeinandertreffen, stellten fest, dass ihnen dieser christliche Präsident in Notsituationen keinen Schutz bieten kann oder will. So konnte Buhari im immer wieder von religiösen und ethnischen Auseinandersetzungen geschüttelten Bundesstaat Plateau vor vier Jahren gerade einmal ein Drittel der Stimmen für sich gewinnen. Jetzt erhielt Jonathan dort nur noch rund 55 Prozent.
Jega trotzte dem Druck
Das größte Lob aber gebührt dem Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission Attahiru Jega. Der Politikprofessor musste in den vergangenen Wochen einen immensen Druck aushalten. Zunächst zwang ihn die Regierung mit Hilfe des Militärs, die Wahlen um sechs Wochen zu verschieben. Dann traten fast täglich Politiker aus dem Umfeld Präsident Jonathans an die Öffentlichkeit und forderten Jegas Absetzung. Wahlweise warfen sie ihm vor, mit der Opposition gemeinsame Sache zu machen oder nicht ausgereifte Technik einsetzen zu wollen. Wie schon 2011 behielt Jega die Ruhe. Entgegen zahlreicher kritischer Stimmen verlief die Wahl dann fast überall geordnet ab. Kaum ein ernstzunehmender Beobachter übte grundsätzliche Kritik.
Wie schwierig die Aufgabe der Wahlkommission war, zeigt der Bundesstaat Rivers im Niger-Delta. Dort soll Jonathans PDP angeblich knapp 1,5 Millionen Stimmen erhalten haben - Buharis APC aber nur 70.000. Dabei war der dortige Gouverneur schon vor Monaten zur APC übergelaufen und zu deren Wahlkampfmanager geworden. Buhari selbst konnte in Rivers Hauptstadt Port Harcourt erfolgreich seinen Wahlkampfauftakt zelebrieren. Kein Wunder, dass der regionale Leiter der Wahlkommission am Sonntag arg ins Stottern kam, als er dieses unglaubwürdige Ergebnis in Abuja vortrug. Hier dürften die Gerichte noch einiges an Aufarbeitung zu leisten haben.
Buhari vor großen Herausforderungen
Buhari muss nun ein schweres Erbe antreten. Die hauptsächlich vom Erdöl abhängige Wirtschaft und der fast ausschließlich auf Öleinnahmen basierende Staatshaushalt gehen wegen des niedrigen Ölpreises schweren Zeiten entgegen. Der Terror von Boko Haram ist längst nicht besiegt. Es dürfte Buhari, der selbst aus dem Norden stammt, allerdings leichter fallen, die Bedürfnisse der Region zu erkennen, als seinem Vorgänger Jonathan. Hoffentlich begreift der Ex-General Buhari auch, dass es mit einem militärischen Sieg nicht getan ist, sondern dass der Nordosten des Landes endlich eine Entwicklungsperspektive braucht.
Größere Probleme dürfte ihm nach der Niederlage Jonathans das Niger-Delta bereiten. Die Militanten dort waren lediglich ruhiggestellt und durften sich unter Jonathans Augen fleißig selbst bedienen. Sie werden sicher versuchen, ihre Pfründe zu verteidigen. Die unter Jonathan ins Uferlose gewachsene Korruption einzudämmen, dürfte für Buhari noch zu den einfacheren Aufgaben gehören. Es kann eigentlich nur besser werden. Insgesamt wird der Ex-General beweisen müssen, dass er tatsächlich demokratisch geläutert ist. Selbst sein hochangesehener Vorgänger Olusegun Obasanjo verfiel nach seiner Wahl 1999 immer wieder in militärisches und autoritäres Gehabe, wobei die Menschenrechte allzu oft hinten runter fielen.