Zum 85. Geburtstag von Siegfried Lenz
17. März 2011Siegfried Lenz ist leidenschaftlicher Angler. Geduld ist dabei die größte Tugend. Bedächtig, leise und mit viel Ausdauer ist er auch als Autor tätig. In der Öffentlichkeit gibt er sich hingegen eher bescheiden. Dabei gehört er neben Günter Grass und Martin Walser zu den prägenden Autoren der Bundesrepublik. Wenn man schreibend leben möchte, so sagt er, reiche Inspiration alleine nicht aus. Seinen Erfolg habe er sich von Beginn an durch Starrsinn, Ausdauer und "Sitzfleisch" erarbeitet.
Altmodisch, mit Stock und Pfeife
Das Rauchen wollte er sich schon lange abgewöhnen. Seinen Stock im Gepäck, pafft er auch im hohen Alter genüsslich seine Pfeife. Ebenso standhaft und altmodisch ist auch sein unverwechselbarer Schreibstil. Dass diese Einstellung zum Schreiben sich bewährt hat, belegt sein beachtliches Lebenswerk aus ca. 60 Büchern und Erzählungen. Für literarische Experimente hat Siegfried Lenz sich dabei nie begeistern können. Er wolle einfach nur Geschichten erzählen. "Über die Inhalte, die Motive meiner Arbeit war ich mir nie im Ungewissen. Sie wurden mir nahe gelegt durch meine Generationserfahrung und durch Zeitgenossenschaft. Und so schrieb ich über Auflehnung und Pflicht, über Flucht und Verfolgung, über Verstrickung und Niederlage. Schrieb über das, was meine Zeit mich erkennen ließ."
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Altkanzler Helmut Schmidt, beschreibt das Werk des langjährigen Freundes als "ein Mosaik der Nation in unserer Epoche. Wer Deutschland verstehen will, der solle seine Bücher und Erzählungen lesen." Das Leben von Siegfried Lenz ist, wie die Geschichte der Bundesrepublik, geprägt von Freiheit, Widerstand und von den Narben des Krieges. Am 17. März 1927 wurde er in Masuren geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters wuchs der sechsjährige Siegfried bei seiner Großmutter auf. Mit 13 Jahren trat er der Hitlerjugend bei, wurde später zur Kriegsmarine eingezogen, desertierte und geriet in britische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung zog er nach Hamburg und arbeitete als Volontär bei einer Tageszeitung, wo er sich in seine Arbeitskollegin, die Illustratorin Liselotte verliebte und sie heiratete. Ihr Tod war ein großer Einschlag in seinem Leben. Mit 84 Jahren ging der Schriftsteller ein zweites Mal den Bund der Ehe ein, diesmal mit seiner langjährigen Nachbarin, die ihn in dieser schweren Zeit zur Seite stand. Seitdem ist sie seine erste Kritikerin. Liebevoll liest er ihr aus seinen Texten vor. "Aus der Befürchtung, nicht sinnlich genug zu schreiben, frage ich Ulla fast jedes Mal, 'hörst du nicht allein, sondern siehst du es? Siehst du den Charakter, das Gesicht, die veränderte Mimik des Gesichtes' und wenn sie sagt, 'ja, ich sehe es vor mir', dann bin ich häufig zufrieden." Seine letzte Nouvelle "Schweigeminute" erzählt die ungewöhnliche Beziehung eines Schülers zu seiner Lehrerin.
Handeln und Enthüllen
Über die Möglichkeiten und Sackgassen seines Berufes als Schriftsteller ist er sich im Klaren: "Ich glaube schon, dass unsere gemeinsame Anstrengung von allen Kollegen, die wir schreiben, dazu ausreicht, vielleicht nicht gerade große spektakuläre Gegenmodelle zu dem jetzigen Zustand der Welt zu entwerfen, aber doch Korrekturen anzubringen, Augen zu öffnen, bloß zu stellen, zu enthüllen. Literatur handelt, indem sie enthüllt." Und so wirft Siegfried Lenz nach 85 Jahren erneut seine Angel aus. Geduldig wartet er ab und zieht mit viel Gefühl den Köder ein. Am liebsten fängt er Forellen, die bekanntlich nicht leicht zu überlisten sind. Eine Schülerjury zeichnete ihn für seine ermutigende Menschlichkeit mit dem Weilheimer Literaturpreis aus. Wer hätte gedacht, dass ein Autor der älteren Generation gerade die Jugend anspricht. Wer mitten im Gewässer steht, kann eben nahezu sämtliche Fangstellen mit seinen Ködern anwerfen.
Autor: Rozbeh Asmani
Redaktion: Gudrun Stegen