Siemens gibt Klimaaktivisten nicht nach
13. Januar 2020Siemens habe alle Optionen geprüft und sei zu dem Schluss gekommen: "Wir müssen unsere vertraglichen Verpflichtungen erfüllen", twitterte Konzernchef Joe Kaeser (Artikelbild) nach einer außerordentlichen Vorstandssitzung am Sonntagabend. "Wir dürfen kein Unternehmen sein, auf das sich die Kunden nicht verlassen können", führte er weiter aus.
Der Industriekonzern mit Hauptsitz in München wird der indischen Adani Group damit - wie bestellt - Signaltechnik für eine Bahnstrecke liefern, auf der die Kohle aus der australischen "Carmichael"-Mine über Hunderte von Meilen zum Hafen transportiert werden soll. Adani will die gewonnene Kohle - bis zu 60 Millionen Tonnen pro Jahr - nach Indien verschiffen, um dort Kraftwerke zu befeuern. Der Auftrag bringt Siemens nach eigenen Angaben 18 Millionen Euro.
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg und die Bewegung "Fridays for Future" (FFF) hatten den deutschen Konzern aufgefordert, den Auftrag zu stornieren. Am Freitag hatte sich Kaeser sogar mit der deutschen FFF-Vertreterin Luisa Neubauer getroffen und danach erklärt, die Entscheidung für das Projekt über das Wochenende noch einmal zu überdenken.
"Unentschuldbarer Fehler"
Einen von Kaeser angebotenen Sitz in einem Aufsichtsgremium des künftigen Unternehmens Siemens Energy lehnte Neubauer ab. Stattdessen schlug die 23-Jährige vor, den Posten einem Wissenschaftler von "Scientists for Future" zu geben - einer Gruppe, die "Fridays for Future" unterstützt. Neubauers Vorstoß wurde wiederum von Kaeser zurückgewiesen, denn: "Experten und Wissenschaftler haben wir schon genug", erklärte der Siemens-Chef am Sonntag.
Auf das Ergebnis der Siemens-Vorstandssitzung reagierte Neubauer verärgert: "Joe Kaeser macht einen unentschuldbaren Fehler", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Diese Entscheidung ist aus dem Jahrhundert gefallen." Statt Verantwortung für das Pariser Klimaschutz-Abkommen zu übernehmen, gefährde Siemens damit das Ziel, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen.
Als Konsequenz aus dem Sturm der Entrüstung will Siemens allerdings künftig größeres Augenmerk auf die Folgen seines Tuns für die Umwelt legen. Der existierende Nachhaltigkeitsausschuss des Konzerns soll dazu ein Vetorecht gegen die Beteiligung von Siemens an Projekten wie dem in Australien bekommen, wie Kaeser mitteilte. Zugleich verwies er in einer längeren Stellungsnahme darauf, dass nicht nur die australischen Wähler und die Regierung, sondern auch die höchsten Gerichte des Landes und die indigenen Völker in der Region das "Carmichael"-Projekt befürwortet hätten.
So zitierte der Siemens-Chef aus einem Brief des zuständigen Ministers Matthew Canavan: "Sich dem Druck der Anti-Adani-Protestierer zu beugen, wäre eine Beleidigung für die arbeitenden Bürger Australiens und für die wachsenden Bedürfnisse Indiens."
wa/gri (dpa, rtr)