Siemens überrascht mit Gewinnsprung
11. November 2021Die anziehende Konjunktur gibt Siemens-Chef Roland Busch Rückenwind. Der Münchner Technologiekonzern übertraf im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr 2020/21 seine Umsatz- und Gewinnerwartungen, ist für die nächsten Monate aber vorsichtiger. Der Nettogewinn schnellte im ersten Jahr unter Buschs Führung um 59 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro, wie Siemens am Donnerstag mitteilte.
Der Konzern hatte seine Prognose mehrfach erhöht und zuletzt mit 6,1 bis 6,4 Milliarden Euro gerechnet. Der Umsatz stieg auf vergleichbarer Basis um 11,5 Prozent auf 62,3 Milliarden Euro, der Auftragseingang sogar um 21 Prozent. Die Dividende soll auf den Rekordwert von 4,00 (3,50) Euro je Aktie erhöht werden. An der Börse kamen die Zahlen gut an, die Aktie von Siemens gehört zu den Gewinnern des Tages.
Es war das erste Geschäftsjahr ohne die abgespaltene Energiesparte Siemens Energy, die im Herbst 2020 an die Börse gebracht worden war, und an der Siemens nur noch eine Minderheitsbeteiligung hält. Seither bezeichnet sich der Konzern als "fokussiertes Technologieunternehmen". Als solches habe man einen "sehr erfolgreichen Start hingelegt", sagte Busch - wohl auch, weil ihm so ein Großteil der Verluste der ehemaligen Energiesparte erspart blieb.
Materialengpass macht sich auch bei Siemens bemerkbar
Die anhaltenden Probleme beim Nachschub vor allem von elektronischen Bauteilen und Rohmaterial habe Siemens erfolgreich bewältigt, teilte das Unternehmen mit. Allerdings zeigten sich im vierten Quartal erste Bremsspuren; das Ergebnis blieb hinter den Analystenerwartungen zurück, obwohl der Umsatz weiter anzog. "In einem herausfordernden Umfeld haben wir Marktanteile gewonnen und unsere Ergebnisprognose deutlich übertroffen", sagte Busch.
Siemens hofft darauf, dass die Corona-Effekte und Engpässe beim Nachschub im Laufe der nächsten Monate nachlassen. Trotzdem geht der Konzern nur von einem Umsatzwachstum um einen mittleren einstelligen Prozentsatz auf vergleichbarer Basis aus. Die drei Kernsparten Digital Industries, Smart Infrastructure und Mobility (Bahntechnik) sollen jeweils um fünf bis acht Prozent zulegen. Dazu kommt die Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers, die nach dem Corona-Boom allenfalls mit leichten Zuwächsen rechnet.
Für das Ergebnis je Aktie stellt Siemens einen Anstieg auf 8,70 bis 9,10 (Vorjahr: 8,32) Euro in Aussicht. Das wäre ein Plus von fünf bis neun Prozent. Dazu beitragen sollen auch weitere Verkäufe und Börsengänge von Beteiligungen.
Verkauf von Unternehmensteilen geht weiter
Im abgelaufenen Geschäftsjahr hatte Siemens unter anderem mit dem Verkauf der Getriebe-Tochter Flender und dem Verkauf von Aktien an den börsennotierten Firmen Bentley Systems und ChargePoint einen Gewinn von 1,5 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Im Oktober war das US-Energiespeicher-Unternehmen Fluence Energy mit einer Bewertung von mehr als vier Milliarden Dollar an die Börse gebracht worden. Das Geschäft mit großen Antrieben - Siemens Large Drives - soll rechtlich ausgegliedert werden, wie Vorstandschef Roland Busch am Donnerstag ankündigte. "Wir werden dem Geschäft mehr unternehmerische Freiheit geben, damit es sich noch besser entwickeln kann", sagte er. Der Hersteller von Elektromotoren, Umrichtern und Generatoren für Mittel- und Hochspannung ist mit rund 7000 Mitarbeitern die größte der vier "Portfolio Companies", die Siemens nach der Sanierung abstoßen will.
Die Logistik-Sparte soll zunächst aufgespalten werden: in Logistiklösungen für Briefe und Pakete sowie in Gepäckbänder für Flughäfen. Diese Märkte entwickelten sich ganz unterschiedlich, erläuterte Busch. Insider hatten der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, dass Siemens zunächst einen Käufer nur für die Post-Logistik suche, weil die Luftfahrt- und Reisebranche noch unter der Corona-Krise litten. Die Straßenverkehrstechnik-Tochter Yunex ist bereits ausgegliedert und wird laut Insidern ebenfalls verkaufsfertig gemacht.
Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas hofft, aus solchen Portfolio-Bereinigungen 2021/22 einen ähnlichen Gewinn zu erwirtschaften wie die 1,5 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr.
tko/hb (rtr, dpa)