Sierens China: Mittel- und Osteuropa als Chance
15. Dezember 2014Peking hat ein gutes Gespür für Marktlücken in der Weltwirtschaft, die China auch außenpolitisch voranbringen. So sind sie auf die ehemals kommunistisch regierten Länder Mittel- und Osteuropas gekommen, die sich entweder wie die Stiefkinder der EU fühlen oder nicht einmal Mitglieder sind. Während Brüssel, Paris und Berlin über deren Köpfe ein gefährliches Krisen-Pingpong mit Moskau spielen, sagt Peking neue Investitionen zu.
Elf EU-Mitglieder und fünf Nicht-Mitglieder sprechen mit China
Bereits zum vierten Mal wird in dieser Woche der sogenannte 16+1-Gipfel in Belgrad stattfinden. Und Chinas Premier Li Keqiang wird dort eine Fülle neuer Kooperationen mit den mittel- und osteuropäischen Ländern vereinbaren. Fünf der 16 teilnehmenden Staaten aus der Region zählen nicht zu den Mitgliedern der EU: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien. Sie sind besonders offen für Zuwendung - politische ebenso wie wirtschaftliche. Und die enger werdenden Beziehungen sind besonders ärgerlich für Brüssel.
Dort nimmt man besorgt zu Kenntnis, dass Chinas Premier im Vorfeld des Gipfels ankündigte, den Handel zwischen Mittel- und Osteuropa und China bis 2018 verdoppeln zu wollen. Allein vergangenes Jahr wurden Waren im Wert von knapp 60 Milliarden US-Dollar zwischen China und den mittel- und osteuropäischen Staaten ausgetauscht.
China finanziert und saniert Europas Infrastruktur
Kaum wahrgenommen vom Westen hat die chinesische Regierung in den vergangenen zwei Jahren mehrere Milliarden in der Region investiert und dabei eine Reihe neuer, aber dafür nicht weniger fester Freundschaften geschlossen. Denn aus eigenen Mitteln ist es fast allen kleineren Staaten im Osten Europas nicht möglich, ihre maroden Straßen oder Brücken zu sanieren, Zugstrecken zu reparieren oder die Internetversorgung zu verbessern. Das gilt selbst für die EU-Mitglieder. Seit der Krise in Südeuropa werden sie kurz gehalten. Ohne China kommen sie nicht auf die Füße.
Zehn Milliarden US-Dollar wird Li Keqiang den ost- und südosteuropäischen Ländern als Kredite für Infrastrukturprojekte versprechen. In der Vorfreude darauf saß Milan Bacevic, der Bergbauminister des gastgebenden Serbien, einem Übersetzungsfehler auf und freute sich gar auf zehn Billionen Dollar. Aber so viel haben selbst die Chinesen nicht für Europa übrig. Goldgräberstimmung herrscht dennoch unter den randständigen Ländern.
Der "Seidenstraßen-Fonds" als Geldquelle für Europa
Denn neben den zugesagten zehn Milliarden Dollar können die Staaten zudem auf Finanzmittel aus dem "Seidenstraßen-Fonds" hoffen. Die Gelder aus dem Topf sollen vor allem Projekte in Asien entlang der Route der ursprünglichen Seidenstraße fördern. Denn Pekings großes Ziel ist es langfristig, sowohl einen chinesisch kontrollierten Seeweg als auch eine leistungsfähige Verbindung auf dem Land nach Europa aufzubauen. Und dieses Ziel hat seinen Preis. Egal wie viele Häfen, Straßen, Eisenbahnstrecken, Telekommunikation-Netzwerke oder Kraftwerke dafür gebaut werden müssen.
Dass dabei das eine oder andere Projekt auch in Mittel- und Osteuropa aus diesem Topf finanziert werden kann, ist schon jetzt abzusehen. Allein in Serbien haben die Chinesen bisher schon mehr als zwei Milliarden Euro investiert. So wurde nicht nur die neue Belgrader Donaubrücke von den Chinesen finanziert, jetzt soll zudem die Zugstrecke zwischen Belgrad und Budapest modernisiert werden. Die Kosten: 1,5 Milliarden Euro. Auch der Kleinstaat Montenegro mit seinen nur 620.000 Einwohnern erhält Geld für den Neubau einer rund 110 Kilometer langen Autobahn aus China. Eine chinesische Bank stellt hierfür 690 Millionen Euro zur Verfügung. Und in Mazedonien finanzieren die Chinesen nicht nur den 375 Millionen Euro teuren Ausbau der Autobahn im Westen des Landes, sondern fungieren gleichzeitig auch als Bauherren. Wen wundert es, dass Mazedoniens Regierungschef Nikola Gruevski voller Lob für China ist und von "der größten Investition in die Infrastruktur seit 50 Jahren" schwärmt und nun nicht mehr nach Brüssel schielt.
Li Keqiang wie den Kaiser von China empfangen
Rumäniens Premierminister Victor Ponta empfing schon beim 16+1-Gipfel im vergangenen Jahr in Bukarest den Kollegen aus China wie einen Kaiser. Es war damals das erste Mal nach 19 Jahren, dass ein chinesischer Premier in Rumänien Station machte. Ponta betonte, dass das EU-Mitglied Rumänien "willens ist, China als Eintrittstor zu Europa zu dienen". Das kam in der EU-Zentrale gar nicht gut an, zumal Peking seine Investitionen nicht mit Brüssel abstimmt. Mag Li Keqiang auch noch so oft beteuern, dass China sich bei allen Deals in Südosteuropa an die Regeln der EU halten werde.
Die Angst ist groß, dass Peking immer mehr Einfluss durch seine Investitionen erlangt und die EU auseinander dividieren könnte. Denn den Ländern wird es in Zukunft nicht schwer fallen, Widerstand zu leisten, wenn Brüssel mal wieder versucht, eine Antidumping-Regelung gegen China zu installieren. Sie schützen dann ganz selbstverständlich den reichen und großzügigen Onkel aus Fernost gegen die kleinkarierten Verwandten zu Hause.
Unser Kolumnist Frank Sieren gilt als einer der führenden deutschen China-Spezialisten. Er lebt seit 20 Jahren in Peking.