Das war nicht unbedingt im Sinne der Erfinder: Während der Bitcoin einst den libertinären Traum einer banken- und staatenlosen Finanzwirtschaft verkörperte, ist das angeblich fälschungssichere Cyber-Geld knapp zehn Jahre nach seiner Einführung vor allem eines: Ein heiß gehandeltes Spekulationsobjekt – oder besser noch: Eine Zockerwährung.
2012 war sie noch weniger als 20 US-Dollar wert, Anfang September erreichte die sogenannte "Kryptowährung" ein Rekordhoch von fast 5000 Dollar. Besonders in China entfachte sie Goldgräberstimmung: Im Januar 2017 zum Beispiel wurden über chinesische Bitcoin-Börsen bis zu 98 Prozent aller weltweiten Bitcoin-Transaktionen abgewickelt. Nirgendwo sonst ist die Nachfrage nach virtuellem Geld so groß wie hier. Chinas Spekulanten haben die Regie übernommen und angesichts Chinas strenger Börsenregeln, einem schwierigen Immobilienmarkt und Geldexportbeschränkungen Lust auf Bitcoins bekommen. Der größte Vorteil: Das neue Geld kann staatliche Grenzen überwinden, ohne dass die chinesische Regierung oder eine andere Regierung Zugriff darauf hat. Die neue Währung ist also ein Schlupfloch, um viel Geld illegal außer Landes zu schaffen. Das vor allem stört Peking. Und nun hat die chinesische Zentralbank gehandelt.
34 Milliarden Euro verpufft
Sie hat zunächst einmal die sogenannten Initial Coin Offerings (ICO) verboten, Online-Börsengänge, bei denen Firmen im Tausch gegen Digitalwährungen Kapital generieren. In einem Statement bezeichnete die Zentralbank ICOs als "illegale öffentliche Kapitalbeschaffung, die in Zusammenhang mit kriminellen Machenschaften wie Betrug und Schneeballsystemen stehen." Peking kann sich das leisten: Wer den Bitcoin nicht ehrt, hat Taler genug, gewissermaßen.
Das Verbot schlug global Wellen. Die Kurse von Bitcoin und der für ICO-Finanzrunden gerne eingesetzten Kryptowährung Ether sanken dramatisch. Innerhalb von 24 Stunden ging der Gegenwert von 34 Milliarden Euro verloren.
Peking will Kontrolle
Und es gibt Gerüchte, dass die chinesische Zentralbank bereits einen Entwurf in der Schublade hat, Cybergeld-Börsen ganz zu verbieten. Es wäre dann der Handel mit Bitcoin & Co ebenso unmöglich wie der Umtausch in die chinesische Landeswährung Renmimbi. Kryptowährungen würden zwar bis auf weiteres auch ohne Börsen in Umlauf sein, der Austausch wäre jedoch langsamer und viel riskanter. Schon dieses Gerücht drückte die wichtigste Internet-Währung am Montag auf 4179 Dollar.
Das Verrückte ist: Peking lehnt die neue Währungsform nicht völlig ab. Im Gegenteil hat die Chinesische Volksbank bereits Testversuche für eine eigene Kryptowährung lanciert. Allerdings auf Basis einer anderen Überlegung. Statt als transparente und unabhängige Zahlungsalternative das staatliche Monopol zum "Gelddrucken" auszuhebeln, soll sie den finanziellen Kontrollspielraum des chinesischen Staates sogar noch vergrößern, etwa indem sie ihn in Regionen vorstoßen lässt, die bislang keinen oder kaum Zugang zu konventionellen Banken hatten.
Euphorie dahin?
Bis es soweit ist, wird China auch andere Länder zu überzeugen versuchen, energischer gegen den freien Handel mit Kryptowährungen vorzugehen. Auch ohne Chinas Rat hatten die USA, Kanada und Südkorea in der Vergangenheit ebenfalls strengere Regulierungen angekündigt. Sollten noch weitere Staaten nachziehen, könnte die Euphorie um die Digitalwährungen schon bald ein jähes Ende finden. Der Bitcoin würde dann als Zahlungsmittel mit dem man nirgends zahlen kann, in der Nische der Tech-Enthusiasten verschwinden, aus der er einst gekommen ist. Wieder ein Fall, bei dem die Chinesen inzwischen als Vorreiter maßgeblich die Spielregeln globaler Entwicklungen mitbestimmen. Dass sie inzwischen die Macht haben, sich durchzusetzen zeigt der Kurseinbruch sehr deutlich.
Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit mehr als 20 Jahren in Peking.