Sigmar Gabriel kämpft um sein Amt
15. Februar 2018Ja, bestätigt mittlerweile auch eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin: In den Fall des in der Türkei seit einem Jahr inhaftierten deutschen Journalisten Deniz Yücel ist Bewegung gekommen. Gleich mehrfach habe der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), seit einigen Monaten nur noch geschäftsführend im Amt, darüber mit den Türken gesprochen - vor allem mit seinem Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu. Anfang Januar bewirtete Gabriel seinen Gesprächspartner aus der Türkei sogar in seinem Privathaus in Goslar. Seitdem ist der Kontakt offenbar beständig ausgebaut worden. Wenn Yücel tatsächlich frei kommen sollte in der nächsten Zeit, dann wäre das sicher auch der Erfolg Gabriels.
Ein Gabriel-Fan in Belgrad
Während die Sprecherin in Berlin das alles berichtet, steht Gabriel selbst am Mittwoch in Belgrad vor den Kameras. Er ist zu Besuch beim serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic, einem bekennenden Gabriel-Fan. Der sagt jetzt: "Ich würde es gerne sehen, wenn er an wichtiger Stelle in der Bundesrepublik bleibt." Die Frage zum deutschen Außenminister kam natürlich von den mitgereisten Journalisten aus Deutschland. Gabriel selbst sagt dazu mal lieber gar nichts und blickt ausdruckslos in die Ferne.
Gabriel und die SPD: Eine vertrackte Geschichte
Das mit Gabriels politischer Zukunft ist eine verzwickte Sache. Er selbst würde sicher gern bleiben, was er ist. Auch in der deutschen Bevölkerung wird das wohl mehrheitlich so gesehen, Gabriel ist derzeit einer der beliebtesten Politiker. Seit rund einem Jahr ist er oberster deutscher Diplomat, und schlecht macht er seine Sache nicht. Aber mit seiner Partei hat er sich überworfen, jedenfalls mit der neuen Führung um den kommissarischen Vorsitzenden Olaf Scholz und Fraktionschefin Andrea Nahles, die im April zur neuen Parteichefin gewählt werden soll.
Es gibt eine lange Vorgeschichte: Gabriel selbst war über sieben Jahre lang Parteichef - und lieferte sich eigentlich mit allen Führungspersonen seiner Partei in dieser Zeit zum Teil heftige Reibereien, vor allem mit Nahles. Dann, zu Beginn des Wahljahres 2017, schlug er den früheren Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz, als seinen Nachfolger und Kanzlerkandidaten vor - seine eigenen Umfragewerte waren schlecht. Das Ergebnis für die SPD war niederschmetternd, die Wahl ging krachend verloren. Vielleicht auch deshalb, weil der oft unberechenbare Gabriel seinen Nachfolger stets spüren ließ, dass er das alles eigentlich viel besser gemacht hätte.
Katarina Barley als neue Außenministerin?
"Die Chancen, dass Gabriel Außenminister bleiben kann, stehen jetzt 50 zu 50", sagt ein führender Sozialdemokrat, der lieber anonym bleiben möchte, der DW. Schon werden andere Sozialdemokraten für den Posten gehandelt. Katarina Barley etwa, die amtierende Familienministerin, könnte das machen. Sie hat in Frankreich studiert, spricht fließend Englisch, mit anderen Worten: Sie ist international genug, um das Auswärtige Amt übernehmen zu können. Es sei denn, Gabriel macht sich unentbehrlich.
Der Fall Deniz Yücel
Wenn der deutsche Journalist Deniz Yücel tatsächlich aus dem Gefängnis in der Türkei entlassen wird, würden Gabriels Chancen wohl sprunghaft steigen. Im vergangenen Jahr hat sich Gabriel für die Deutschen eingesetzt, die in der Türkei unter abenteuerlichen Vorwürfen inhaftiert wurden. Der Menschenrechtler Peter Steudtner kam frei, die Journalsitin Mesale Tolu wurde zumindest auf freien Fuß gesetzt. Aber der Fall Yücel ist der mit der größten Aufmerksamkeit, in der Türkei wie in Deutschland. Es gibt seit einem Jahr keine Anklageschrift. Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft dem Korrespondenten der deutschen Zeitung "Die Welt" pauschal "Unterstützung von Terroristen" vor.
Geschickte Diplomatie gegenüber der Türkei
Gabriel betrieb im vergangenen Jahr eine beharrliche Politik gegenüber dem Autokraten in Ankara. Immer im Gespräch bleiben, gleichzeitig die Dinge beim Namen nennen: Offen sprach er von Yücel als einer Geisel Erdogans. Und forderte deutsche Unternehmen und Touristen auf, die Türkei erst einmal lieber zu meiden. Das hat offenbar gewirkt.
Hinzu kommt, so scheint es, ein Sinneswandel in Ankara, den der Außenexperte der Grünen, Omnid Nouripour, der DW so beschreibt: "Durch den massiven Konflikt mit den USA wegen der türkischen Angriffe auf Kurden in Syrien erkennt Erdogan jetzt, dass die Türkei zu viele Konflikte entfacht hat. Und er erkennt, wie schädlich für die Beziehungen zu Deutschland die Inhaftierung von Yücel ist. Die Haltung wächst, das Problem mit Deutschland aus der Welt zu schaffen."
Gabriel hat den Schmollwinkel verlassen
Vielleicht ist das so. Gelegenheit zu klärenden Gesprächen gibt es in den nächsten Tagen viele. Der türkische Ministerpräsident Mevlüt Yildirim etwa kommt am Wochenende zur Münchner Sicherheitskonferenz. Sigmar Gabriel auch. Auch wenn er zunächst abgesagt hatte, aus Verärgerung darüber, dass seine SPD ihre Regierungs-Zukunft ohne ihn plante. Jetzt hat er sich anders entschieden. Er will seine vielleicht letzte Chance beherzt nutzen.