Fußball in Simbabwe: Viel Potential und viele Baustellen
18. Januar 2022Wenn Simbabwe am Dienstag zu seinem dritten Gruppenspiel beim Afrika-Cup antritt, könnte es der letzte Auftritt für das Fußball-Nationalteam in Kamerun sein. Nach zwei unglücklichen Niederlagen gegen den Senegal (0:1) und Malawi (1:2) müsste im abschließenden Match gegen Guinea schon ein deutlicher Sieg gelingen. Und selbst dann wäre das Team von Nationaltrainer Norman Mapeza noch auf günstige Resultate der Konkurrenz angewiesen, um den Sprung ins Achtelfinale zu schaffen.
Allein aber, dass Simbabwe überhaupt beim Afrika-Cup-Endturnier dabei sein kann, ist keineswegs selbstverständlich. Zwar ist das Land fußballverrückt, doch wirtschaftlich geht nicht viel. Die einst blühende Wirtschaft des Landes wurde in den letzten dreißig Jahren unter autokratischer Führung systematisch vernichtet. Heute gehören die Menschen Simbabwes zu den ärmsten der Welt. Korruption ist Alltag im Land, auch im Fußball. Erst im vergangenen November wurde die Führung des Fußballverbandes auf einen Schlag komplett aus der Verantwortung genommen, seither werden die Fußballgeschicke vom Sportministerium des Landes geführt.
Dazu passend: Auch beim Afrika-Cup treten die "Warriors", wie das Team genannt wird, mit einem Interims-Cheftrainer an. Als Anfang Dezember Zdravko Logarusic nach einer Serie von elf Spielen ohne Sieg als Nationaltrainer gefeuert wurde, sprang Mapeza für den Afrika-Cup als Teamchef ein. Das hatte der 49-Jährige in der Vergangenheit schon öfter getan, als Not am Mann war. Schließlich gilt der 50fache Nationalspieler Simbabwes mit seiner Erfahrung von zehn Auslandsjahren als Spieler in der Türkei und Österreich als einer, der sich wirklich auskennt in der Welt des Fußballs.
Fußball-Potenzial in Simbabwe liegt brach
An solche Personen denkt Klaus-Dieter Pagels, wenn er davon spricht, dass Simbabwe unbedingt "Leute braucht, die sich wirklich um die Fußball-Entwicklung im Land kümmern. " Der ehemalige DFB-Entwicklungshelfer, der zwischen 2010 und 2013 über 1200 Trainer in Simbabwe ausgebildet hat und ein Jahr lang auch als Nationaltrainer einsprang, findet: "In Simbabwe liegt ein großes Potenzial an Fachleuten mit Herzblut für den Fußball brach. Die ganzen Trainer, die ich damals ausgebildet habe, warten nur darauf, dass sie endlich anfangen können zu arbeiten."
Zudem hält Pagels Kontakt zu seinen ehemaligen Nationalspielern - wie beispielweise zu Knowledge Musona, der mit der simbabwischen Nationalmannschaft momentan den Afrika-Cup in Kamerun bestreitet. "Musona berichtete mir, dass die Vorbereitungen auf das Turnier so professionell verliefen, wie noch nie zuvor", sagt Pagels. Das Team habe ein gutes Trainingslager absolvieren können, zudem seien die Spieler entsprechend der Verabredungen auch pünktlich bezahlt worden. " Das war 2019 vor dem Turnier in Ägypten noch anders", betont Pagels. " Damals wurde noch in der Nacht vor dem ersten Gruppenspiel um Geld verhandelt."
Wenn Pagels an Fachleute im Land denkt, fällt ihm als erstes dabei eine Frau ein: Kwinji Sibanda - die aktuelle Trainerin der Frauenfußball-Nationalmannschaft. Unter Pagels lernte die heute 40-Jährige die Grundlagen des Trainerdaseins. Später folgten eine dreiwöchige A-Lizenz-Ausbildung in Deutschland und 2018 schließlich eine einjährige Weiterbildung unter dem Dach des Fußball-Weltverbands FIFA. "Kwinji ist Fußballerin mit Leidenschaft und eine ausgezeichnete Lehrerin. Sie spricht die Sprache der Spielerinnen und kann sehr gut erklären", lobt Pagels.
Frauen-Nationalteam - auf dem Weg zum Afrika-Cup
Sibandas Arbeit trägt aktuell auch in den Resultaten Früchte. Die Frauen-Nationalmannschaft steht ganz kurz vor der Qualifikation zum Afrika-Cup, der im Juni 2022 in Marokko stattfinden wird. In der letzten Qualifikationsrunde steht noch ein K.o.-Duell mit Botswana an. "Wir können es wirklich nach Marokko schaffen", freut sich Sibanda.
Heute kennt jedes fußballinteressierte Kind in Simbabwe Kwinji Sibanda, was auch daran liegt, dass sie einige Jahre beim Männer-Erstligisten FC Tsholotsho als Co-Trainerin arbeiten konnte - als erste Frau in der Geschichte des simbabwischen Männerfußballs. "An ihrer Energie und Begeisterung für die Sache Fußball können sich viele Männer durchaus ein Beispiel nehmen", sagt Klaus-Dieter Pagels heute. Er hat den Kontakt zum Land auch nach dem Auslaufen seines Projekts und Nationaltrainer-Jobs nie verloren - was auch daran liegt, dass Teile seiner Familie in Simbabwe leben. Pagels Tochter ist mit einem Simbabwer verheiratet.
"Simbabwes Frauenfußball bräuchte Sponsoren"
Kwinji Sibanda kümmert sich derweil darum, dass es wenigstens mit dem Frauenfußball bergauf geht. Gerade erst ist die energiegeladene Frau von einer Tour in ländliche Gebiete im Norden des Landes zurückgekehrt, auf der sie einige Schulen besucht hat, in denen sich zunehmend Mädchen für das Fußballspiel interessieren. "Simbabwes Frauenfußball bräuchte Sponsoren, die sich für die Entwicklung einsetzen und die Projekte an der Basis ein wenig fördern. Wir haben genug talentierte junge Spielerinnen hier, die müssten nur gefördert werden. Aber das geht halt nur, wenn man sie ein wenig unterstützt", berichtet Sibanda.
Sibanda hat noch viel vor in Simbabwe, würde aber auch einem Engagement im Ausland offen gegenüberstehen. "Ich könnte im Ausland Erfahrungen sammeln, die mir später in meinem Heimatland zu Gute kommen würden", findet sie. Ungefähr so, wie Norman Mapeza das geschafft hat. Der Interimscoach braucht am Dienstag mit seinen Jungs gegen Guinea dringend den erhofften Sieg, damit auch der simbabwische Männerfußball - trotz aller Widrigkeiten im Land - mal wieder positive Schlagzeilen schreiben kann.