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Sinn und Unsinn eines Trainerwechsels

Thomas Klein25. April 2014

Wenn es in der Bundesliga nicht läuft, wird oft der Trainer dafür verantwortlich gemacht. Ein neuer Coach soll dann den Erfolg bringen. Sportpsychologe Jens Kleinert über Sinn und Unsinn eines Trainerwechsels.

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Professor Dr. Kleinert DSHS Köln
Bild: DW/T. Klein

DW: Herr Kleinert, in dieser Saison gab es acht Trainerentlassungen in der Bundesliga. Wo ist der Sinn? Warum gehen viele Klubs diesen Schritt?

Jens Kleinert: Man muss sich immer fragen, wem nützt dieser Wechsel? Die Antwort ist sehr vielfältig, denn oft fühlen sich die Vereine und Vorstände von den Medien und den Fans dazu gedrängt, ihren Coach zu entlassen. Druck spielt also eine große Rolle. Es wird nicht immer im Sinne der Mannschaft oder der Leistung entschieden, sondern es ist ein sehr komplexes Gefüge. Denn gerade in einer Krisensituation muss sich ein Vorstand als handlungsfähig und aktiv beweisen.

Oft gibt es zum Ende der Saison einen Trainerwechsel, wenn die Saisonziele aus den Augen verloren werden. Was versucht man damit zu erreichen?

Es ist die Hoffnung, dass die Mannschaft besser spielt. Ein Trainerwechsel kann unterschiedliche Funktionen haben: Es kann bewirken, dass etwas aufgebaut wird, was verloren gegangen ist. Beispielsweise das Vertrauen in den Trainer. Das muss dann aber auch wirklich so sein. Denn so ein Trainerwechsel bringt nur dann etwas, wenn die Spieler das Vertrauen und die Zuversicht in den aktuellen Coach verloren haben. Vielleicht sogar nicht mehr daran glauben, dass er es schafft. Das ist eine sehr spezielle Situation, die gar nicht so häufig auftritt, wie man denkt.

Ist es nicht vielleicht auch so, dass der Verein einfach eine Münze wirft und es dem Zufall überlässt, ob der Trainerwechsel Wirkung zeigt oder nicht?

Manchmal wird so eine Entscheidung zu unüberlegt getroffen. Das passiert zum Beispiel, wenn man nicht genug mit den Spielern gesprochen hat. Dann kann so ein Wechsel auch nach hinten los gehen. Aber prinzipiell ist es immer so: Es wird etwas neu gemacht, es entsteht eine neue Situation. Und das kann natürlich so einen Abstiegsstrudel, so eine Serie von Misserfolgen durchbrechen. Das spielt sich sehr stark im Kopf der Spieler ab. Die sehen während einer Negativ-Serie keine Veränderung! Weil alles gleich bleibt. Und da tut eine Veränderung schon mal gut.

Trainer Gertjan Verbeek ist in Nürnberg gescheitert. (Foto: dpa)
Trainer Gertjan Verbeek ist in Nürnberg gescheitertBild: picture-alliance/dpa

Manchmal fehlen nur ein "paar Prozent" für den Erfolg. Kann ein neuer Trainer die besser herauskitzeln als der alte?

Ich habe vor allem dann Misserfolg, wenn ich Angst vor der Niederlage habe. Und wenn ein Trainer die letzten sieben, acht Spiele verloren hat, dann kann er immer mit dem Misserfolg in Zusammenhang gebracht werden. Und ein neuer Coach wird dann schon mal eher mit der Hoffnung auf Erfolg in Verbindung gebracht. Das ist psychologisch gesehen ein ganz wichtiger Faktor. Man kann aber natürlich auch die Gedanken der Spieler positiv verändern ohne den Trainer zu entlassen! Das sollte nur die extreme Ausnahme bei sehr starkem Misstrauen sein. Ich finde, dass die Vereine die anderen Möglichkeiten, beispielsweise durch Sportpsychologen etwas zu wenig ausnutzen.

Gibt es die sogenannten "Feuerwehrmänner", die gerne von Vereinen geholt werden, um die Mannschaft vor dem Schlimmsten zu bewahren?

Die gibt es. Es sind Trainer, die eine gewisse Aura haben! Sie haben in der Vergangenheit oft herausragende Leistungen erbracht, so dass die Spieler direkt großen Respekt und Bewunderung haben. Und allein das kann die Psyche der Akteure positiv beeinflussen. Statistisch belegen lässt sich dieses Phänomen aber nicht, dazu spielen zu viele unterschiedliche Faktoren eine Rolle.

Peter Neururer gilt in der Liga als Feuerwehrmann. Aktuell ist der Trainer in Bochum. (Foto: dpa)
Peter Neururer gilt in der Liga als Feuerwehrmann. Aktuell ist der Trainer in BochumBild: picture-alliance/dpa

Trainer Jürgen Klopp und Borussia Dortmund wirkt wie eine "harmonische Ehe" - gibt es den perfekten Trainer?

Es gibt nicht den perfekten Trainer, es gibt nur den perfekt passenden Trainer! Je nach Situation, je nach Mannschaft, je nach Zusammensetzung. Es gibt vielleicht ein oder zwei Trainer, die optimal passen für diese Mannschaft. Und das rauszufinden, ist das A und O. Denn sonst müssten sich alle anderen dem Trainer anpassen und das ist natürlich grundlegend schwieriger.

Jens Kleinert ist Professor für Sport- und Gesundheitspsychologie an der Sporthochschule Köln. Kleinert studierte nach seinem Abitur Sportwissenschaften auf Diplom an der DSHS Köln, das er im Jahr 1991 abschloss. Seit 2006 ist er Leiter der Abteilung Gesundheit & Sozialpsychologie.

Das Interview führte Thomas Klein.