Sinti und Roma in Deutschland
7. April 2012Die Sinti und Roma zählen zu den vier nationalen Minderheiten in Deutschland – neben den Dänen, den Sorben und der friesischen Volksgruppe. Sie haben eine eigene Kultur und Sprache. Diese wird seit 1995 durch ein Rahmenübereinkommen des Europarats geschützt und gefördert.
Die Zahl der Sinti und Roma in Deutschland wird auf 120.000 geschätzt. Allerdings besitzen nur ungefähr 70.000 den deutschen Pass. Damit sind sie die größte Minderheit hierzulande.
Jahrhundertelange Diskriminierung und Verfolgung
Ursprünglich stammen die Sinti und Roma aus Nordwest-Indien. Vor etwa 600 bis 800 Jahren zogen sie in Gruppen nach Europa. Die Sinti, eine Untergruppe der Roma, wanderte in deutschsprachige Gebiete wie Deutschland, Österreich oder die Schweiz ein. Als Roma bezeichnen sich die Völker, die sich in Ost- und Südosteuropa ansiedelten und vor etwa einem Jahrhundert nach Deutschland kamen.
Sinti und Roma wurden über Jahrhunderte verfolgt. Den Höhepunkt erreichte diese Verfolgung durch die Nationalsozialisten, die über 500.000 Menschen in Konzentrationslagern ermordeten.
Heute noch leiden Sinti und Roma unter Diskriminierung und Rassismus. Zu den gängigen Vorurteilen gehört etwa die Vorstellung, dass sie in Wohnwagen leben und das ganze Jahr als „fahrendes Volk“ umherziehen. Doch die Realität sieht anders aus: Die Mehrheit führt ein ganz normales Leben, ist sesshaft und arbeitet in üblichen Berufen.
Viele Roma ohne Bleiberecht
Etwa 50.000 Roma flohen in den 1990er Jahren vor dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland, darunter 20.000 Kinder. Viele leben heute noch in Flüchtlingsheimen unter einfachsten Bedingungen und sind ständig von Abschiebung bedroht. Da sie nur geduldet sind, dürfen viele keine Arbeit aufnehmen und auch keine Sprach- oder Integrationskurse besuchen.
Besonders brisant ist die Situation der jungen Generation: Viele Jugendliche besuchen die Schule nur unregelmäßig oder verlassen sie ohne Abschluss. Seit Jahren weist der Dachverband Deutscher Sinti und Roma auf das erschreckend niedrige Bildungsniveau hin und fordert einen nationalen Aktionsplan zur Bildungsförderung von Sinti und Roma.
Christlich geprägte Feste und Traditionen
Neunzig Prozent der Sinti und Roma in Deutschland sind katholisch. Viele nehmen regelmäßig an Wallfahrten teil. Die bekannteste ist jene zur Heiligen Sarah im südfranzösischen Küstenort Saintes-Maries-de-la-Mer. Tausende feiern dort jedes Jahr die Schutzheilige der französischen und spanischen Roma.
Hierzulande pilgern Hunderte Sinti im Juli nach Germershausen, ein Dorf in Niedersachsen. Einer jahrhundertealten Sage zufolge soll ein Schäfer dort ein Bildnis der Gottesmutter mit Jesuskind in einem hohlen Weidenbaum entdeckt haben. Pilgerfahrten sind immer auch ein Anlass, sich der eigenen Geschichte zu erinnern. Auch finden dort viele Taufen statt.
Anfang Mai feiern jedes Jahr sowohl muslimische als auch christlichorthodoxe Roma aus den Balkanländern gemeinsam Herdelezi, den Feiertag für den Heiligen Georg. Es handelt sich um ein interreligiöses, mehrtägiges Frühlingsfest. Es leitet den Sommer ein und soll zu Glück und Reichtum verhelfen. Lebens- und Frühlingssymbole wie Kerzen, frische Zweige und "Heilwasser" sind Teil der Festdekoration, es wird getanzt und musiziert.