Skopje - Mazedonische Geschichte erfinden
Die Mazedonier stimmen über den zukünftigen Landesnamen ab. Dabei geht es auch um Identität, Mythen und das Erbe der Nation. Der Streit darüber hat die Hauptstadt Skopje radikal verwandelt. Ein Streifzug.
Skopje - eine Stadt will neu entdeckt werden
Rund 540.000 Einwohner hat die Stadt heute. Ihre wechselvolle Geschichte reicht zwei Jahrtausende zurück - Skopje gehörte zum Osmanischen Reich, zu Jugoslawien und ist seit 1991 Hauptstadt der Republik Mazedonien. Von 2009 bis 2015 hat die damalige Regierung versucht, der Stadt ein antikes, national-mazedonisches Gesicht zu geben. Ihr Projekt "Skopje 2014" ist umstritten - und manchmal skurril.
Nachfahren antiker Helden
Über den Staatsnamen wird an diesem Sonntag abgestimmt - der Name der Hauptstadt aber ist unstrittig: Skopje. Sie wurde in römischer Zeit gegründet. Neue Statuen und Bauwerke sollen belegen: Wir sind Mazedonier, Nachfahren Alexanders des Großen. Dieser Brunnen zeigt die ersten Lebensstationen des antiken Königs von Makedonien und seiner Mutter. Auf der Säule im Hintergrund grüßt Vater Philipp II.
Alexander wird wieder Grieche
Der Alexander-Mythos befeuerte den Streit mit Griechenland, das nicht nur den Namen Makedonien für sich beansprucht, sondern auch das Erbe Alexanders. Die 9,4 Millionen Euro teure und 23 Meter hohe Statue Alexanders im Zentrum Skopjes wird darum künftig eine griechische Plakette tragen, die den "Krieger auf dem Pferd" zum Griechen erklärt - so der Kompromiss mit dem Nachbarland.
Purer Historismus - erbaut 2014
Wie ein antiker Tempel ist das Archäologische Museum gestaltet. Bescheiden wirkt daneben die mittelalterliche Brücke, die den Fluss Vardar überspannt. Sie verbindet die moderne Großstadt und die alte Balkanstadt mit engen Gassen und kleinen Geschäften. Dort wohnen die meisten der Albaner, die rund 20 Prozent der Bewohner Skopjes ausmachen.
Kaiser Justinian endlich daheim
Justinian I. wurde um 482 in Tauresium (dem heutigen Skopje) geboren. Der römische Kaiser förderte den Bau und Ausbau vieler Balkanstädte. Als Marmorstatue ist er jetzt nach Skopje zurückgekehrt. Aber auch dieses Schmuckstück kann Mazedoniens Probleme nicht verbergen. Mazedonien ist eines der ärmsten Länder Europas - in dem die Regierung für historisierende Bauten hunderte Millionen Euro ausgab.
Aus modern wird antik
1963 erschütterte ein schweres Erdbeben Skopje und legte vor allem die westlichen Stadtteile in Schutt und Asche. Der japanische Stararchitekt Kenzo Tange schuf danach das neue Antlitz der Stadt: Ein modernes Skopje, funktionalistisch, klar, aus Beton. Doch davon ist kaum noch etwas zu sehen. Stattdessen antike Illusion: Die Säulen und Statuen wurden einfach davor gebaut.
Koggen auf Beton
Ein absurder Höhepunkt der inszenierten historischen Stadtansicht sind drei nachgebaute mittelalterliche Handelsschiffe, die am Ufer der Vardar festgemacht haben - in Beton gegossen. Niemals wären diese dickbäuchigen Koggen zu Wasser hierher gelangt. Doch nicht nur wegen der ästhetischen Zumutung sollen die Schiffe bald wieder verschwinden: Die Betonsockel stören den Flusslauf empfindlich.
Die nackte Wahrheit des Prometheus
Die Statue des Prometheus löste einen Skandal aus, noch bevor sie 2012 aufgestellt wurde: Der Held war nackt! Empörend fanden das einige Frauenorganisationen, eine Zumutung in einem Park, der von Kindern und Frauen besucht wird. Die pragmatischen Baumeister verpassten dem listigen griechischen Gott kurzerhand einen Lendenschurz. Jetzt darf er - jugendfrei - im Park posieren.
Albanischer Nationalheld
Skopje war und ist Handels- und Begegnungspunkt vieler Kulturen und Sprachen. Die Stadt ist von Byzanz, vom Islam der Osmanischen Zeit und vom jugoslawischen Sozialismus geprägt. Was den einen der Alexander, ist den anderen der Skanderbeg: Der albanische Nationalheld, der vor 500 Jahren im albanischen Kruja den Vormarsch der Türken aufhielt, ist hoch zu Ross jetzt auch in Skopje zu bewundern.
Das Reich von Zar Samuil
Nicht nur mit Griechenland gibt es Streit um das historische Erbe: Zar Samuil, der von 958 bis 1014 lebte, ist Zankapfel zwischen Bulgarien und Mazedonien. Er verlegte die bulgarische Hauptstadt von Sofia nach Ohrid. Herrschte er über einen bulgarischen Staat oder über einen mazedonischen Staat mit der slawischen Mehrheitsbevölkerung? Zur Entspannung soll die Statue aus Skopje nach Ohrid umziehen.
Triumphbogen und Verkehrshindernis
Die Porta Makedonija ist 22 Meter hoch und hat 4,4 Millionen Euro gekostet. Der Triumphbogen ist eines der symbolträchtigsten Monumente der alten Regierung, die Geld aus dem Staatshaushalt veruntreut hat. Eine Uhr an dem Bauwerk zählt jetzt, wie viel der veruntreuten Mittel zurückgezahlt wurden - eine der Maßnahmen der neuen Regierung zur Staatssanierung.
Kopfüber in die Fluten
Hoppla - bitte nicht nachmachen! Wer hier kopfüber in die Vardar springt, wird sich sicher eine blutige Nase holen, weil der Fluss zu flach ist. Zum Glück sind die beiden Damen aus Bronze. Die "Zwei Schwimmerinnen" tauchen in den Fluss, der über Griechenland - dort heißt er Axios - in die Ägäis fließt. Wenn beide Nachbarn doch ein bisschen sportlicher und gelassener miteinander umgingen…