Slowenien: Stunde Null im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
13. Juli 2023"Jetzt ist die Stunde Null, und die gibt es nur einmal", sagt Masa Tomazin Hladen. Seit 15 Jahren ist sie Journalistin bei Radio Televizija Slovenija (RTV) und kann endlich aufatmen. Nachdem die Vorgängerregierung unter Premier Janez Jansa versucht hatte, sich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Sloweniens nach ungarischem Vorbild gefügig zu machen, sorgt ein neues Gesetz nun für mehr Unabhängigkeit und Schutz vor politischem Einfluss.
Das neue Rundfunkgesetz wurde zwar schon im Sommer 2022 von der neuen linksliberalen Regierung unter Premier Robert Golob verabschiedet, um den Einfluss politischer Kreise auf die Sendeanstalt zurückzudrängen. Ein von der Opposition unter der Führung Jansas initiiertes Referendum und eine Klage vor dem Obersten Gerichtshof Sloweniens sorgten jedoch zunächst für Verzögerung.
Rundfunk in der Krise
"Plötzlich ist alles möglich", sagt die TV-Journalistin Tomazin Hladen erleichtert. Zu sehr freuen will sie sich allerdings nicht, denn noch immer ist unklar, wie es jetzt weitergehen soll. Der Rundfunk steckt weiter in einer tiefen Krise, die sich in den niedrigen Einschaltquoten, dem angeschlagenen Vertrauen der Belegschaft und der gesunkenen Akzeptanz durch die slowenische Bevölkerung zeigt. "Die Entscheidung des Gerichtshofs für das neue Rundfunkgesetz ist ein Hoffnungsschimmer, aber für die nächsten Monate sind schon Schwierigkeiten abzusehen", erklärt auch Marko Milosavljevic, Leiter der Fachrichtung Kommunikation an der Universität Ljubljana. Es gehe nun vor allem darum, geeignete Leute mit einschlägiger Erfahrung in relevante Positionen zu bringen und so das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit der Berichterstattung zu stärken. Der Wissenschaftler dämpft jedoch die Erwartungen: Es könne Jahre dauern, den Rundfunk zu erneuern und seinen Ruf wiederherzustellen.
Eine Schlüsselrolle nimmt dabei der Programmrat ein. Bislang wurden 21 seiner 29 Mitglieder vom Parlament und den politischen Parteien bestimmt. Mit dem neuen Gesetz ändert sich das: Die Ratsmitglieder werden nun von verschiedenen Vereinigungen ernannt, die gesellschaftliche Gruppen vertreten. So sind unter anderem Mitglieder aus den Bereichen Wissenschaft, Sport, Kultur und Kirche sowie RTV-Journalisten und Vertreter des Behindertenverbandes Teil des neuen Programmrats. Das Gremium überwacht, ob das Programm des Rundfunks die öffentliche Funktion erfüllt. Es kann jedoch nur Empfehlungen aussprechen. Die Entscheidungsmacht liegt beim Generaldirektor bzw. den TV- und Radio-Direktoren.
Sechs Fernseh- und sieben Hörfunkprogramme
Die mehr als 2000 Beschäftigten des slowenischen Rundfunks produzieren zwei nationale und zwei regionale TV-Programme sowie je einen Kanal für die italienische und ungarische Minderheit in Slowenien. Das zugehörige Radio Slovenija hat drei landesweite Hörfunkprogramme sowie zwei regionale in Maribor und Koper und Programme für die italienische und ungarische Minderheit.
Die rechtskonservative Vorgängerregierung unter Janez Jansa hatte Sympathisanten ihrer Politik in wichtige Positionen wie die des Generaldirektors und TV-Direktors gebracht. Damit versuchte sie, vor allem das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm zu einem politischen Propaganda-Instrument umzubauen. "Im Haus hatte immer die Politik Einfluss, aber nie so sehr wie seit 2021", erinnert sich die Journalistin Tomazin Hladen und fügt hinzu: "Wenn du eigene Leute installiert hast, brauchst du keine Zensur." Die Veränderungen lösten bei den Journalisten seit Mai 2022 eine Streikwelle aus, an der sich die Fernsehjournalistin aktiv beteiligte und die noch immer anhält - so lange, bis die einflussreichen Posten neu besetzt sind.
Hetze gegen Medien und Journalisten
Ex-Premier Jansa, der dreimal als Ministerpräsident amtierte, zuletzt von 2020 bis 2022, machte so wenig Hehl aus seinen Eingriffen in den Rundfunk, dass seine Medienpolitik auf harsche Kritik von Journalistenverbänden und der EU stieß. Die Fraktionen im Europäischen Parlament kritisierten Rechtsstaatsdefizite und die regelmäßigen Angriffe auf Medien und Demokratie in Slowenien.
Jansa führte einen regelrechten verbalen Dauerkrieg gegen slowenische Journalisten und Journalistinnen, die er in den sozialen Medien als Lügner und Verbreiter von Fake News diffamierte. Auch ausländische Medien, die es wagten, Sloweniens zunehmende Einschränkungen der Pressefreiheit zu kommentieren, waren vor seinen Angriffen auf Twitter nicht sicher. Die eigene Bevölkerung rief Jansa dazu auf, ihre Beitragszahlungen für den Rundfunk auszusetzen und behauptete, selbst auch nicht zu bezahlen. Der slowenische Rundfunk wird über Beiträge der Bürger finanziert. Obwohl es allgemeine Preissteigerungen gab, wurden diese Beiträge in Slowenien seit zehn Jahren nicht mehr erhöht.
Niedergang von Quoten und journalistischen Standards
RTV sei einer der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen Sender in Mittel- und Südosteuropa gewesen, erinnert sich der Sozialwissenschaftler Milosavljevic: "Nicht nur in Bezug auf die Unabhängigkeit und die Pressefreiheit. Auch die Einschaltquoten waren bei RTV immer hoch - und das schon in den 1990er Jahren." Doch die unter dem politischen Druck unausgewogene Berichterstattung habe schließlich zu einem massiven Vertrauensverlust beim Publikum und zu einem Absturz der Quoten geführt.
Nicht nur die Öffentlichkeit, auch die Journalisten litten unter den Zuständen. Die politische Einflussnahme habe zu einem Niedergang der journalistischen Standards geführt, so Igor Bergant, Nachrichtenmoderator bei RTV. "Die Beiträge waren schlecht recherchiert, und man konnte uns unausgewogene Berichterstattung vorwerfen. Trotzdem haben wir weiter gemacht, denn wir wollten nicht, dass die Bildschirme schwarz werden." Bergant machte die Zustände öffentlich, wurde zu einem der Sprecher seiner Redaktion und erntete damit nicht nur Beschimpfungen, sondern auch Morddrohungen von Jansa-Unterstützern.
Festhalten an der Macht
Nun also liegt viel Arbeit vor dem öffentlich-rechtlichen Sender, die journalistischen Standards wieder anzuheben und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Daran mitwirken will Ilinka Todorovski. Die frühere Ombudsfrau ist seit 38 Jahren beim Rundfunk, arbeitet in der Journalisten-Ausbildung und ist neues Mitglied im Programmrat. "Ich möchte dringend Veränderungen, aber es gibt ein allgemeines Missverständnis darüber, wie schnell diese geschehen werden", sagt sie. An diesem Donnerstag (13.07.2023) wird der neue Generaldirektor gewählt. Doch bis die Veränderungen Wirkung zeigen, wird es noch dauern, denn, so Todorovski: "Die von der Vorgängerregierung eingesetzten Direktoren, die noch im Amt sind, machen es uns nicht leicht."