Smog vernebelt Megastädte
12. Juni 2013Im Januar gingen apokalyptische Bilder um die Welt: Die Luft in Pekings Straßen war so dunkel von Staub und Schmutzpartikeln, dass es den Anschein hatte, die Sonne sei morgens nicht aufgegangen. Am versmogten Himmel war sie nur als ein ferner Lichtpunkt sichtbar. An den Autokolonnen, die sich durch die Straßen der chinesischen Hauptstadt schoben, hetzten Menschen mit Atemschutzmasken vorbei: Die Behörden hatten ihnen geraten, sich so wenig wie möglich im Freien aufzuhalten. Eine gigantische Schadstoffwolke hüllte die gesamte Ostküste Chinas in giftigen Nebel und sorgte dafür, dass die Zahl der Menschen mit Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in die Höhe schoss.
Der junge chinesische Wissenschaftler Yu Lei sorgt sich um seine Stadt. Er lebt in Peking und beschäftigt sich beruflich mit der dicken Luft. Lei forscht in einem Think Tank des chinesischen Umweltministeriums zur Verbesserung der Luftqualität. Er möchte Fragen beantworten - zum Beispiel - wie Megastädten in den sich rasant entwickelnden Schwellenländern geholfen werden kann. Aus welchen Fehlern der industrialisierten westlichen Metropolen können die Planer in den aufstrebenden Wirtschaftsregionen lernen? Welche Maßnahmen haben sich als sinnvoll erwiesen - welche weniger?
Mexiko City: konsequent zur besseren Luft
Eine der Weltstädte, die schon seit langem bekannt ist für ihre hohe Luftverschmutzung, ist die 20-Millionen-Metropole Mexiko City. 1990 wurde in der im Tal von Mexiko gelegenen Stadt nur an acht Tagen im Jahr eine "gute" Luftqualität gemessen. 2012 hatte sich die Zahl auf 237 erhöht. Martha Delgado Peralta, ehemalige Umweltministerin von Mexiko-Stadt, war an dieser positiven Entwicklung maßgeblich beteiligt. "Vor 20 Jahren war die Luft bei uns so schlecht, dass die Vögel tot auf die Straße gefallen sind", so Delgado. In der Verwaltung und bei der Bevölkerung sei damals die Bereitschaft zu Veränderungen entstanden - und langfristige Reformpläne wurden geschaffen.
Fabriken mit viel Emissionen, etwa Raffinerien, mussten aus der Stadt raus, die Qualität von Kraftstoffen wurde verbessert, und jedes der damals fünf Millionen Autos blieb an einem Tag in der Woche stehen. Außerdem sorgten die Stadtplaner für eine Verbesserung der Metro- und Busverbindungen und führten ein Bike-Sharing-System ein. Es habe sich wirklich viel getan, versichert Delgado, schränkt aber ein: "Uns bleiben 100 Tage, an denen die Luftqualität besser sein müsste. Es ist ein täglicher Kampf."
Ein Kampf aber, den es sich zu kämpfen lohnt: Yu Lei jedenfalls stimmen diese Erfolge hoffnungsvoll. Vor China liegt allerdings noch ein langer Weg, bevor die Menschen in Peking oder Shanghai aufatmen können. Für eine Verbesserung der Lage sieht Yu Lei einen Umstieg von Kohle auf Gas und alternative Energiequellen sowie Ausstoßobergrenzen als notwendig an. "Langfristig muss sich aber die wirtschaftliche Struktur des Landes verändern", meint Lei. Soll heißen: mehr Dienstleistungen und weniger Industrieproduktion. Laut CIA World Factbook, das statistische Daten über alle Länder der Welt auflistet, betrug der Anteil des Dienstleistungssektors an der chinesischen Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr geschätzte 44,6 Prozent. Im Vergleich dazu lag dieser Anteil in Deutschland bei knapp 70 Prozent, in Frankreich bei knapp 80 Prozent.
Weniger Luftverschmutzung durch Grenzwerte
In Europa wurde die Luft merklich sauberer, seit die EU in den 70er Jahren begonnen hatte, Grenzwerte für verschiedene Schadstoffe einzuführen. Schwefeldioxid nahm in den vergangenen zwei Jahrzehnten um fast 55 Prozent ab.
Ein Paradebeispiel ist die Hauptstadt des Baskenlands, Vitoria-Gasteiz, die 2012 von der Europäischen Kommission zur "Grünen Hauptstadt Europas" gekürt wurde. Ähnlich wie in Mexiko City verbannte die lokale Regierung schmutzige Industriestätten aus der Stadt und verbesserte den öffentlichen Nahverkehr sowie Fuß- und Radwege. Zudem werde mittlerweile in 65 Prozent der privaten Haushalte Gas zum Heizen verwendet, sagt Bürgermeister Javier Maroto Aranzábal. Das Verhalten der Einwohner zu ändern sei dabei die schwierigste Aufgabe gewesen, gesteht der Bürgermeister: "Die Verbesserungen sind Ergebnis der gemeinsamen Anstrengung von Stadtverwaltung, Industrie und Bürgern." Anders gehe es nicht.