So will Facebook Fake News bekämpfen
16. Januar 2017Die Kritik an Facebook war tosend laut geworden - nun kontert das Unternehmen mit einem konkreten Lösungsvorschlag: Das Recherchenetzwerk "Correctiv" soll der Fake-News-Epedemie Einhalt gebieten - in Deutschland. Eine präventive Maßnahme in Hinblick auf die Bundestagswahlen im Herbst - denn nach den massiven Fake News-Skandalen in den USA befürchtet Deutschland eine ähnliche Verbreitung von falschen Nachrichten, die den Wahlausgang beeinflussen könnten.
Das unabhängige Netzwerk "Correctiv" aus Berlin soll es richten. 25 Experten für investigative Recherche werden markierte dubiose Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Das erklärte "Correctiv"-Leiter David Schraven im Interview mit dem ZDF. Gegebenenfalls müsse man die Zahl der Mitarbeiter noch nach oben korrigieren, das werde nach einer Testphase entschieden. Geld bekommt "Correctiv" für das Vorhaben nicht. Finanziert wird der Verein seit Anfang an durch Spenden und Zuwendungen von Stiftungen. Das soll auch so bleiben - vorerst. Denn Schraven gibt auf der Facebookseite von "Correctiv" schon zu bedenken: "Es wird schwer werden, das Geld unserer Spender dafür auszugeben, Facebook zu heilen."
Wie funktioniert die Überprüfung?
Falsche Beiträge, egal zu welchem Thema, sollen künftig schneller entlarvt und Nutzer so schneller gewarnt werden. Facebook verbessert zunächst technische Einstellungen auf dem Portal und "Correctiv" leistet den inhaltlichen Faktencheck, sobald Einträge zur Überprüfung einlaufen. In den USA arbeitet Facebook bereits mit einem Netzwerk unabhängiger Organisationen, um der Schwemme an Falschmeldungen Herr zu werden.
Derzeit gibt es noch keine direkte Meldefunktion für die Nutzer der deutschen Sprachversion von Facebook: sie können vermeintliche Lügengeschichten lediglich als Spam melden, nicht jedoch konkretisieren, dass es sich um "Fake News" handelt. In Kürze wird aber die Meldeoption "Es handelt sich um eine gefälschte Nachricht" eingeführt werden. Sobald ein Beitrag eine "relevante Anzahl von Markierungen" aufweist, wird er von der Redaktion von "Correctiv" unter die Lupe genommen, erklärt Schraven.
Erweist sich der gemeldete Inhalt als tatsächliche Falschmeldung, wird der Beitrag von "Correctiv" mit einem Warnhinweis gekennzeichnet und gegebenenfalls mit einem Link zu den Fakten versehen. Gelöscht wird der Beitrag nicht. Bei einigen Falschmeldungen - wie etwa gefälschten Zitaten - hält die Redaktion eine schnelle Richtigstellung und entsprechende Markierung für realistisch. Bei komplexeren Geschichten, bei denen sich um einen tatsächlich wahren Faktenkern plötzlich "wilde Erfindungen" ranken, sähe die Recherchearbeit schon ganz anders aus, betonte Schraven.
Facebook schickt unabhängige Organisation vor
Eine wichtige Rolle bei der Enttarnung spielen also auch die Nutzer, denn sie stoßen den ganzen Prozess einer Warnung oder Korrektur an. Laufen nicht genug Warnhinweise in Reaktion auf einen Facebook-Post ein, bleibt eine Überprüfung aus. Personell ist "Correctiv" längst nicht so ausgestattet, dass es jedem Hinweis nachgehen kann. Auch organisatorische und technische Abläufe müssten erst noch geklärt werden, erklärte Schraven im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Eine Testphase soll nun starten, nachjustiert wird später. Auch die Finanzierung soll dann langfristig nochmal überdacht werden, um das Ganze auf eine solide Basis zu stellen. Gegebenenfalls müsse sich Facebook dann doch beteiligen, so Schraven.
Ob das Modell etwas bewirken kann gegenüber einem Trend, der wegen seiner rapiden Verbreitung eben auch eine enorme politische Dimension erreicht hat, das stellt Schraven selbst auf der Facebook-Seite von "Correctiv" in Frage. "Wir sind davon überzeugt, dass dieser Ansatz alleine nicht ausreicht, Fake News nachhaltig zu bekämpfen. Es müssen viele verschiedene Ansätze gefunden werden. Aber wir sind froh, dass dieser Ansatz von Facebook zumindest beschritten wird."
Parallel zur Verkündung der Zusammenarbeit mit "Correctiv" gab auch Facebook eine öffentliche Erklärung über technische Anpassungen ab. Manager Adam Mosseri kündigte in einem Blogpost an, dass Facebook unter anderem Schritte einleiten wird, bezahlte Kampagnen und "Geld verdienen" mit der Verbreitung von Posts auf Facebook zu erschweren. In den USA hatten rund um die Präsidentschaftswahlen private Nutzer, getarnt als Nachrichtenorganisationen, Lügen über Facebook verbreitet und damit großes Geld verdient.
Maßnahmen ja, redaktionelle Verantwortung nein
Der Schachzug von Facebook, nun auch in Deutschland mit einer unabhängigen Organisation im Kampf gegen Lügengeschichten zusammenzuarbeiten, kommt aus Sicht der Politik spät. Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte schon lange ein hartes Vorgehen gegen Facebook gefordert und Facebook in der Verantwortung gesehen.
Am Wochenende hatte sich die Bundesregierung erneut dafür ausgesprochen, gegen Hasskommentare und Falschnachrichten schneller und entschlossener vorzugehen. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hatte gefordert, dass Twitter und Facebook Beschwerdestellen einrichten und binnen 24 Stunden reagieren.
Auf die Kritik aus der Politik hat Facebook nun erst einmal reagiert. Das Unternehmen hat auch angekündigt, weitere Partner für den Kampf gegen gefälschte Nachrichten in Deutschland gewinnen zu wollen. Allerdings zieht es sich damit auch aus der Verantwortung - zumindest redaktionell. Es ist ein Signal: das Unternehmen tut etwas für die Wahrheitsfindung. Redaktionelle Verantwortung übernimmt es nach wie vor nicht. Die Lügen machen die anderen - richtigstellen sollen sie eben auch die anderen.