Solarworld: Kein Platz an der Sonne
7. August 2013Dicke Wolken hängen über Bonn. Nur Frank Asbeck, Chef der angeschlagenen Firma Solarworld, lächelt, als er zu jener Aktionärsversammlung kommt, die über die Zukunft seines Lebenswerks entscheidet. "Ich habe den Regen heute als positives Signal gewertet, dass die Solarmodule saubergewaschen werden", sagt er und deutet nach oben, in den bleigrauen Himmel. "Dann ist endlich der Staub runter."
Einen Neubeginn wünscht sich der Chef, der mit seinem Trachtenjanker eher an einen bayerischen Gasthausbesitzer erinnert als an einen millionenschweren Wirtschaftsboss, der gleich zwei Schlösser mit Rheinblick und eigenem Jagdrevier bewohnt.
Zu Hochzeiten war Asbecks Konzern fünf Milliarden Euro wert - heute fast nichts. Gläubiger haben in den vergangenen Tagen auf die Hälfte ihres Geldes verzichtet, und das Angebot an die Aktionäre lautet: Abwertung der Aktie um 95 Prozent.
"Wir haben die Aktien erst seit einem Jahr", sagt eine ältere Aktionärin. Damals haben wir gedacht, wir stützen diesen Konzern ein wenig. Aber dass es so abwärts geht…" Solche Stimmen hört man oft an diesem Vormittag: Der eine hat die Aktien geerbt, der andere in die Solarindustrie vertraut. "Gekauft habe ich die Aktien, weil ich Herrn Asbeck für einen pfiffigen Unternehmer gehalten habe, nun bin ich enttäuscht", sagt einer, der wie die meisten Anwesenden bereits hoch im Rentenalter steht.
Wütend ist niemand, nur "enttäuscht". Kapitalschnitt, das heißt: Wer zuvor 150 Aktien hatte, hat nun nur noch eine. Insolvenz, das hieße: Aktienentwertung, also vollständiger Kapitalverlust. Dabei hatten viele gehofft, sich durch ihre Investition einen Platz an der Sonne zu sichern - oder zumindest die Rente.
Erst Boom, dann Insolvenz-Welle
"Der Aufstieg von Solarworld fiel in eine Zeit, in der viele Solarunternehmen groß geworden sind", erklärt Philippe Welter, Chefredakteur des Branchenmagazins "Photon". Durch ein Gesetz der Bundesregierung, das sogenannte "Erneuerbare-Energien-Gesetz" aus dem Jahr 2000, wurde die Einspeisung von klimafreundlichem Solarstrom ins öffentliche Stromnetz gefördert - was zu einem Boom der Photovoltaik in Deutschland führte. "Die Margen für Hersteller waren aufgrund der knappen Produktionssituation damals sehr hoch", so Welter. Solar-Firmen schossen aus dem Boden. Bald jedoch zog der Wachstumsmarkt auch ausländische Unternehmen an - besonders aus asiatischen Ländern.
Für die deutschen Firmen Q-Cells, Solon oder Conergy endete der rasante Auf- und Abstieg bereits mit Insolvenz, Zerschlagung und dem teilweisen Verkauf ins Ausland. Große Konzerne wie Siemens und Bosch haben sich aus der Solarindustrie zurückgezogen. Für Solarworld hofft Frank Asbeck auf einen Neustart: Nach dem Kapitalschnitt soll das Emirat Katar mit rund 30 Prozent einsteigen.
Zukunftsbranche Solarindustrie?
Doch selbst Energieexperten sind unsicher, ob die Solarindustrie in Deutschland eine Zukunft hat. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sieht im Kostendruck aus Asien den Grund für die Krise in Deutschland, und "da müssen jetzt eben alle Unternehmen durch, die weiterhin auf dem Markt bestehen wollen". Künftig geht es darum, Innovationen durchzusetzen, besonders im High-Tech-Bereich. "Dann aber hat die Solarindustrie auf jeden Fall eine große Zukunft", so Kemfert.
Ähnlich schätzt der Chef des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, Eicke Weber, die Situation ein. Er hält die deutsche Wirtschaft für zu zögerlich, wenn es um Investitionen in neue Technologien geht. "Deutsche Investoren sind sehr risikoscheu geworden", so Weber. "Ausländische Investoren haben besser erkannt, wie zukunftsfähig diese Technologie ist."
Doch es gibt auch andere Stimmen. "Ich habe die Solarindustrie nie für eine Zukunftsbranche gehalten", sagt Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung. Mit der Einspeiseförderung - also mit der finanziellen Unterstützung von Verbrauchern, die sich Solarmodule gleich welcher Herkunft auf die Dächer montieren - habe die Bundesregierung systematisch auch Konkurrenten aus dem Ausland unterstützt: Statt in die deutsche Forschung zu investieren, seien Gelder nach dem "Gießkannenprinzip" ausgeschüttet worden. So wurden Firmen in Ländern großgezogen, in denen das Lohnniveau weit unter dem deutschen liegt - und die daher die Solarmodule zu günstigeren Preisen anbieten können. "Wer zuletzt seine Fabrik baut, kann zudem die neusten Technologien anbieten", bestätigt "Photon"- Chef Welter. In diese Falle seien die Deutschen und die Europäer hineingelaufen.
"Wir sind eben alle reingefallen", seufzt ein Aktionär von Solarworld. Mit dem Kapitalschnitt ist er trotzdem einverstanden. Denn: "Wenig ist immer noch besser als nichts."