Knut-Kult
26. März 2007
DW-WORLD.DE: Der Hype um Knut ist enorm. Täglich berichten in- und ausländische Medien über den kleinen Eisbären. Star-Fotografin Annie Leibowitz kam extra für Aufnahmen aus New York, Romano Prodi verließ die Feierlichkeiten zum 50-jährigen EU-Jubiläum frühzeitig, um bei Knut im Berliner Zoo zu sein - jetzt ist auch noch Knut-TV gestartet. Was halten Sie von dem ganzen Rummel?
Andre Schüle: Wir freuen uns, dass wir Knut nun endlich den Besuchern zeigen können, nachdem wir ihn lange Zeit in der Abgeschiedenheit des Bärenreviers zurückgehalten hatten. Wir sind stolz, dass so viele Besucher kommen und Bilder machen wollen. Vor allen Dingen freuen wir uns, dass Knut so gesund und fit ist und sich jeden Tag zeigen kann.
Wie erklären Sie sich den Kult um Knut? Was macht einen kleinen Eisbären zu einer solch besonderen Attraktion?
Zum einen verkörpert Knut das perfekte Kindchenschema - runder Kopf, hohe Stirn, Stupsnase, schwarzer Knopf auf weißem Grund, plüschige Ohren - also das, was beim Menschen genau den Beschützerinstinkt und dieses "hab dich lieb" auslöst. Zum anderen ist es bestimmt die Tatsache, dass normalerweise Eisbären, die von der Mutter großgezogen werden, frühestens nach drei bis vier Monaten außerhalb der Höhle zu sehen sind. Dadurch, dass wir Knut mit der Flasche aufziehen mussten, konnten wir Bildmaterial von einem Eisbär-Baby zeigen, das noch sehr klein ist.
Haben Sie in Ihrem bisherigen Wirken als Tierarzt schon einen ähnlichen Medienaufruhr erlebt?
Was das Medieninteresse an Knut angeht - so was hat hier bisher von unserem Zooteam noch keiner erlebt. Bei keinem Tier.
Sind da andere Patienten für Sie überhaupt noch interessant?
Na klar, wir haben hier 14000 Tiere und da ist jedes Tier gleich wichtig und von gleicher Besonderheit. Jetzt ist Knut ja auch nicht mehr so sehr Patient. Am Anfang mussten wir häufiger nach ihm schauen - nun verfolgen wir einfach nur noch seine Entwicklung. Wir nehmen Notiz davon wie er zunimmt und wie viel er so futtert. Solche Dinge sind für uns natürlich spannend und von Interesse, aber wir haben trotzdem auch genug Zeit für alle anderen Tiere.
Wie sieht die Krankenakte von Knut aus - dick oder dünn?
Die ist sehr dünn. Am Anfang gab es mal Phasen, in denen er - wie kleine Säuglinge auch - Fieberschübe hatte, und nicht ganz stabil war. Mittlerweile schreiben wir Tierärzte eigentlich nur noch seine Mahlzeiten auf. Einmal am Tag wird das Gewicht registriert und seine Körpertemperatur gemessen: Knut ist seit langem stabil und gesund.
Wie lange dauert so eine Handaufzucht in Gefangenschaft?
In Menschenobhut wird Knut noch ungefähr ein Jahr von den Pflegern zu händeln sein. Dann, wird er sich wahrscheinlich für einen Weg ohne menschliche Nähe entscheiden. Wir werden ihn - genauso wie die anderen Bären bei uns im Zoo - auf Distanz weiter pflegen und für ihn sorgen.
Einige Tierschützer haben sich in den letzten Wochen zu Wort gemeldet, dass die Handaufzucht von Bären in Gefangenschaft unmenschlich sei. Was halten Sie von solchen Äußerungen?
Kein Zoo, der die Chance gehabt hätte, ein so kerngesundes Eisbär-Baby mit der Flasche groß zu ziehen, hätte sich anders entschieden. Diese so genannten Tierrechtler sind Gott sei Dank in der Minderzahl.
Was passiert, wenn Knut groß ist? Er wird ja nicht immer so klein und knuddelig bleiben.
Wir sind ziemlich sicher, dass aus Knut einmal ein großer und kräftiger Eisbärmann wird. Schon jetzt stehen bei uns andere Zoos Schlange, die ihn als zukünftigen Zuchtbär bei sich haben wollen. Wir haben ja Knuts Vater, den Lars, als Zuchtmann hier bei uns im Zoo. Der hat bewiesen, dass er einen guten Job macht. Zwei männliche Eisbären darf man aber nicht zusammen auf einer Anlage halten. Wenn Knut also mal ausgewachsen ist und vor seiner Geschlechtsreife steht, werden wir uns bemühen, einen geeigneten Zoo zu finden, wo Knut dann auch die Chance hat, mit weiblichen Eisbären zusammen zu leben und eine Zuchtgruppe zu gründen.