SPD wieder "links der Mitte"
11. März 2013Vieles in Wirtschaft und Gesellschaft sei aus dem Lot geraten, erklärte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nach der Vorstandssitzung. Das einvernehmlich beschlossene Programm ziele auf mehr innere Stabilität in Deutschland. Steinbrück wörtlich: "Es geht darum, wie halten wir diesen Laden zusammen." Kanzlerin Angela Merkel wolle eine marktkonforme Demokratie, die SPD dagegen eine demokratiekonforme Marktwirtschaft. Die Finanzmärkte müssten schärfer reguliert, der "Finanzkapitalismus gebändigt" werden.
Zum Entwurf des Wahlprogramms, über den am 14. April ein Parteitag der Sozialdemokraten in Augsburg abstimmen soll, hatten nicht nur SPD-Mitglieder, sondern tausende andere Bürger Vorschläge eingereicht. Dies sei erstmals so in der 150-jährigen Geschichte der SPD geschehen, betonte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Am stärksten sei die Forderung gewesen, dass gute Arbeit gut bezahlt werden müsse. Damit Menschen, die Vollzeit arbeiten, künftig nicht mehr zusätzlich Geld beim Staat beantragen müssten, sei ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro notwendig. Bei gleicher Arbeit sollen Leiharbeiter den gleichen Lohn bekommen wie fest angestellte Kollegen.
Korrektur an Schröders Agenda
Gabriel räumte ein, die umstrittenen Agenda 2010, die einst unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder beschlossen worden war, sei "in einem Bereich in die falsche Richtung gegangen". Da man keinen gesetzlichen Mindestlohn beschlossen habe, sei damals Tür und Tor für einen Niedriglohnsektor geöffnet worden.
Schröders Agenda, deren Verkündung sich in dieser Woche zum zehnten Mal jährt, wird in der SPD sehr kontrovers beurteilt. Sie hatte unter anderen zu bis dahin beispiellosen Einschnitten in das soziale Netz geführt.
In ihrem Wahlprogramm 2013 wollen die Sozialdemokraten wieder mit ihrer Kernkompetenz, nämlich soziale Gerechtigkeit, punkten. Kanzlerkandidat Steinbrück erklärte auf eine entsprechende Frage, er habe nichts dagegen, wenn sich die SPD wieder etwas links von der Mitte bewege, wenn sie damit den Erwartungen der Mehrheit der Bürger entspreche.
Reiche sollen Bildung finanzieren
Um Mehrinvestitionen in die Bildung für zu finanzieren, wolle man die Steuern für Reiche erhöhen. Der Spitzensteuersatz für Einkommen über 100.000 Euro soll auf 49 Prozent steigen. Kapitaleinkünfte müssten stärker besteuert und private Vermögen stärker belastet werden. Diese Steuererhöhungen seien notwendig, auch wenn sie für den politischen Gegner " ein hohes Verhetzungspotential" böten, sagte Steinbrück. Allein in der Bildung bestehe eine Finanzierungsdefizit von rund 20 Milliarden Euro. Streichen wollen die Sozialdemokraten eine Reihe von Subventionen und Steuervergünstigungen, darunter die als "Mövenpick-Steuer" bekannte Steuerbegünstigung für Hotels, die von der FDP durchgesetzt worden war. Unter dem Strich halten sich laut Steinbrück die Ausgaben und die Einnahmen der im SPD Wahlprogramm angepeilten Maßnahmen die Waage.
Der Vorsitzende Gabriel kündigte im Interview mit "Spiegel Online" ein Programm gegen das Lobbywesen in der Politik an. Gabriel forderte außerdem, dass jedes Gesetz, das im Bundestag beschlossen wird, hinterher noch einmal einer Volksabstimmung unterworfen werde, wenn genügend Bürger das wünschten. Man müsse den Parteien den Zynismus austreiben, sagte Gabriel. Man wolle Menschen ansprechen, die die Hoffnung schon aufgegeben hätten, dass Wählen gehen sich lohne.