Spanien mit Machtdemonstration
23. November 2022
Auch der König war begeistert: Felipe VI. von Spanien beklatschte den ersten Auftritt seiner Mannschaft bei der Fußball-WM aus der Ehrenloge des Al-Thumama-Stadions in Katar. Was er gesehen hatte, war eine Art Machtdemonstration gewesen, auch wenn der Gegner "nur" Costa Rica hieß. Allerdings muss man auch gegen die "Ticos", als deren Stärke vor allem die Defensive gilt, erst einmal sieben Tore machen, wie es den Spaniern bei ihrem furiosen 7:0 (3:0) gegen die Mittelamerikaner scheinbar mühelos gelang.
Vier Jahre nach dem überraschend frühen Achtelfinal-Aus gegen WM-Gastgeber Russland und acht Jahre nach dem Scheitern als amtierender Weltmeister bereits in der Vorrunde präsentierte sich das Team von Trainer Luis Enrique als Mitfavorit auf den WM-Titel. "Wir haben ein junges Team, aber haben heute unsere Qualitäten voll ausgespielt, mit hoher Intensität", sagte Enrique. "Es ist sehr wichtig, das erste Spiel so hinzulegen." Was Enrique freut, muss Bundestrainer Hansi Flick Sorgen bereiten, schließlich ist Spanien der nächste Gegner des DFB-Teams, das nach der unnötigen Auftakt-Niederlage gegen Japan bereits unter großem Erfolgsdruck steht.
Enrique macht Spanien wieder erfolgreich
Wer Enrique im Vorfeld der WM beim Training mit der spanischen Nationalmannschaft zusah, der wunderte sich möglicherweise, warum der Trainer ständig in etwas hineinsprach, das wie ein Funkgerät aussah. Die Erklärung: Der 52-Jährige, der stets versucht, technische Innovationen in seine Arbeit einzubringen, hatte in die Trainingsleibchen seiner Spieler kleine Mikrofone einarbeiten lassen.
So konnte er diejenigen, denen er während der Trainingseinheiten etwas mit auf den Weg geben wollte, via Funk direkt ansprechen. "Ich hoffe, ich schreie nicht zu viel. Ich bin es ja nicht gewohnt, mit Leuten, die weit entfernt sind, leise zu sprechen", sagte Enrique über diese neue, direkte Methode.
Block aus Spieler des FC Barcelona
Sicher war die Verwendung der Funktechnik nur ein Detail auf dem Weg zur WM in Katar. Aber sie zeigt, dass Enrique dazu bereit ist, etwas zu verändern und neue Wege zu gehen. Diesen Pfad beschreitet der ehemalige Weltklassespieler auch, wenn es um das Personal geht, das er bei der WM aufbietet.
Der Coach scheute sich dabei auch nicht vor großen Namen, wenn diese Spieler nicht in sein Konzept passen. So ist etwa Sergio Ramos, ehemals Weltklasseverteidiger bei Real Madrid, heute in Diensten Paris St. Germains, nicht Teil des Kaders. Der mittlerweile 36-Jährige war Enrique zu verletzungsanfällig. Ramos soll darüber wenig erfreut gewesen sein.
Enrique, der selbst für Real Madrid (157 Partien) und den FC Barcelona (207) spielte, setzte vor dem Turnier in Katar auf einen Spielerblock der Katalanen: Mit Sergio Busquets sowie die beiden Jungstars Pedri und Gavi spielt die gesamte Mittelfeldreihe, die gegen Japan anfangs auf dem Platz stand für Barça. Hinten links verteidigte mit Jordi Alba ein weiterer Spieler aus Barcelona, vorne stürmte Ferran Torres. Von Real Madrid stand nur Angreifer Marco Asensio in der Startelf.
Persönlicher Schicksalsschlag
Nach der für Spanien verkorksten WM in Russland wurde Enrique zum Trainer Spaniens ernannt, aber schon kurz darauf ereilte ihn ein privater Schicksalsschlag. Seine Tochter Xana erkrankte an Knochenkrebs. Im August 2019 erlag sie der Krankheit im Alter von nur neun Jahren. Enrique nahm sich ab März 2019 eine Auszeit, um sich um seine Tochter zu kümmern - nach ihrem Tod, um zu trauern. Insgesamt war er 17 Monate lang abwesend, in dieser Zeit betreute sein Co-Trainer Robert Moreno das Team.
Im November 2020 kehrte Enrique auf seinen Posten zurück. Unter ihm kam Spanien bei der EURO 2020 ins Halbfinale, in der Nations League sogar bis ins Endspiel. Zudem qualifizierte man sich ohne Probleme für WM. Dort steht nun am Sonntag das zweite Spiel der Vorrunde an - Gegner ist Deutschland.
Spanien - kein Wunschgegner der Deutschen
"Spanien ist nicht gerade unsere Wunschmannschaft, da haben wir manches Mal Schwierigkeiten gehabt", hatte DFB-Direktor Oliver Bierhoff bereits unmittelbar nach der Auslosung angemerkt. Verliert die deutsche Mannschaft am Sonntag auch ihr zweites WM-Spiel, ist sie wie bereits 2018 in der Vorrunde ausgeschieden. Davon wollte Hansi Flick allerdings nichts wissen: "Ich war 2018 nicht dabei. Das interessiert mich nicht", sagte er nach der Pleite gegen die Japaner. "Ich blicke nach vorne. Wir müssen gegen Spanien unsere Chancen nutzen, um in die Playoffs zu kommen. Wir haben die Qualität dazu."
Luis Enrique gab sich diplomatisch: "Im Fußball kennt man das Ergebnis immer erst hinterher", meinte er. "Jetzt kommt Deutschland - das wird ein nettes und interessantes Spiel, aber auch ein schwieriges."