Die wirkliche Stadt der Liebe
13. Februar 2009Der Tangosänger hat sich geschickt platziert: im Rücken die Kathedrale, daneben ein geschwungenes neogotisches Brückchen, ein lauer Wind lässt die Platanenblätter rascheln. Solche verwunschenen Plätze gibt es Dutzende in Barcelona; kein Wunder, dass die Stadt auch für Filmemacher ein idealer Platz ist. Beispielsweise für den Regisseur Woody Allen, der sagt, dass die Stadt "eine der romantischsten der Welt ist". Verliebt hat sich der New Yorker nicht nur in das Gassengewirr der gotischen Altstadt, sondern auch in den Modernisme, die katalanische Variante des Jugendstils.
Ab ins Reich der Fantasie
Das Luxushotel "Casa Fuster" an Barcelonas Prachtboulevard "Passeig de Gràcia" etwa sieht mit seinen Giebeln, Erkern und Balkönchen aus wie ein verwunschener Palast - wie aus "Tausend und einer Nacht". Gut möglich, dass Architekt Domènech i Montaner tatsächlich an ein Märchenschloss dachte, als er das Haus entwarf.
"Es wurde vor hundert Jahren im Zeichen der Liebe gebaut. Mariano Fuster, der ein reicher mallorquinischer Edelmann war, stellte diesen Prachtbau für seine zukünftige Frau Consuela auf, um sie zu beeindrucken und als Zeichen seiner Liebe", erklärt i Montaner. Und für romantische Momente eigne sich kein Stil besser als der Modernisme.
Die Liebesarchitektur
"Es sind die geschwungen Formen der Säulen, die geschwungene Decken, dann der Blick auf den 'Paseo de Gràcia' und natürlich das 'Café Vienés', mit den roten Samtsofas, wo man sich verkriechen oder kuscheln kann", so der Architekt. Als Stadt der Liebe laufe Barcelona Paris längst den Rang ab, sagt auch Melanie Schael. Kaum eine Stadt sei so gut darin, sich immer wieder neu zu erfinden und Abwechslung halte bekanntlich die Liebe jung.
Seit einigen Jahren hat sich Barcelona ebenfalls als Gourmetmetropole einen Namen gemacht. In der Jugendstilmarkthalle "Boqueria" mit ihren kunstvoll drapierten Fischständen kauft die Sterneköchin ebenso gern ein wie der Hausmann. Olivenöl oder Salz kaufen die Barcelonesen am liebsten in den edel designten Feinkostgeschäften, die seit kurzem wie Pilze aus dem Boden schießen. Eine Besonderheit der Stadt sind die Schokoladenboutiquen.
Süßes Völkchen
"Die Spanier kamen als erste nach Lateinamerika und begannen rasch mit dem Kakaoimport. Barcelona war durch seine geographische Lage und seinen Hafen schon immer das Tor zu Europa", so Nuria Ribera von "Cacao Sampaka". Auch deswegen gebe es eine große Schokoladentradition - das sehe man an den "Monas", den großen Schokoladenskulpturen, die die Spanier verschenken.
"Wer heute etwas Süßes isst, tut das nicht aus Notwendigkeit, sondern als eine Art Belohnung", sagt auch Jordi Butrón. Es sei etwas Verspieltes, etwas, was man verschenken und dann teilen kann und insofern etwas Romantisches, so der Patissier. Ihm sieht man seine Liebe zum Süßen nicht nur an - er hat sie auch zu seinem Beruf gemacht.
Kreationen für den Gaumen
Butrón eröffnete vor fast zehn Jahren eine Kochschule mit eigenem Restaurant. Im "Espai Sucre", dem "Zuckerraum", stehen ausschließlich Nachtische auf der Karte. Das kleine Menü etwa besteht aus einer Minzsuppe mit weißem Tee, Aprikosen-Küchlein und einem Hauptgang aus Schokolade, Kaffee und Blätterteig. „Es geht um das Spielerische. Es gibt so viele verschiedene Aromen und Geschmäcker - da sollte man das Süße nicht nur auf den Nachtisch beschränken - davon hat man nämlich ziemlich schnell genug", erklärt der Patissier. Sie verstünden ihre Nachtischmenüs als ausgewogenes Zusammenspiel verschiedener Texturen wie weich oder knusprig, unterschiedlicher Temperaturen - kalt, lauwarm, heiß - und natürlich vieler Geschmäcker.
Ganz gleich, ob kulinarische Versuchungen oder verschwiegene Plätzchen - Barcelona bietet für kleine Sünden eine große Kulisse. Und wer sich davon nicht in Versuchung führen lassen will, der kann am Stadtstrand Barceloneta sehnsüchtig den aufgehenden Mond anstarren und seufzen. Was braucht es mehr zum Glück als Luft - und Liebe?